Islamische Kleiderordnung

■ betr.: „Oben mit erregt Anstoß“ u.a. (Tagesthema Lehrerinnen mit Kopftuch), taz vom 15.9. 97

Eine „sehr gläubige“ Katholikin als Rektorin und eine moslemische Konrektorin, die ihr „Kopftuch als Glaubensbekenntnis“ bezeichnet, da geht auch mir der Hut hoch. Voller Naivität fragt Ulrike Thoenes: „Wie soll ich denn die Muslimas erkennen können?“, wenn nicht durch das Kopftuch... Was ist denn mit den nichtkopftuchtragenden Muslimas? Werden sie ausgegrenzt als weniger religiös und weniger ehrbare Frauen? Um diese Aussonderung und Ungleichheit zu verhindern, dürfen in der Türkei in den Schulen weder Schülerinnen noch Lehrerinnen Kopftücher tragen. Wenn alle Randgruppen: Lesben, Schwule, Schwarze usw. ihr Anderssein ständig betonen müssen und Sonderbehandlung erwarten, gibt es in einer Gesellschaft keine Gemeinsamkeit und keine Identität mehr. Das führt zu Separatismus und Ausgrenzung.

Bedauerlicherweise passen sich auch deutsche Gerichte dieser einseitigen, konservativen Auslegung des Korans an: moslemische (kopftuchtragende) Mädchen können vom Sport- und Schwimmunterricht befreit werden. An Klassenreisen dürfen sie eh nicht teilnehmen (bei einem Ausländeranteil von 75 Prozent finden diese Reisen dann auch für deutsche Schülerinnen nicht mehr statt. Wo bleibt da eigentlich die deutsche Verfassung und unsere Auffassung von Demokratie?). Zu Hause bestimmen Väter und Brüder, wieviel Eigenständigkeit Mädchen und Frauen zugebilligt wird. Natürlich geschieht das alles im Sinne der Religion und des Propheten Mohammed. So werden Herrschafts-, Machtinteressen und Maschismo religiös verbrämt und die Gleichberechtigung der Frauen erfolgreich verhindert.

Das Kopftuch ist meines Erachtens weit mehr als nur ein Quadratmeter Stoff. Ich habe die Befürchtung, daß durch den zunehmenden Einfluß der fundamentalistischen MoslemInnen die Grundsätze einer laizistischen Gesellschaft ausgehöhlt werden und das Zusammenleben zwischen Deutschen und dieser moslemischen Randgruppe unmöglich wird. Renate Lauzemis, Lehrerin und

Konrektorin in der Sonnen-

Grundschule Berlin-Neukölln

[...] Natürlich soll jeder und jede nach seiner bzw. ihrer Fasson selig werden. Die Frage der islamischen Kleiderordnung ist aber überall, auch und vor allem in den islamischen Ländern, nicht eine religiöse, sondern eine höchst politische Frage. Sie ist politisch in dem Sinne, daß für die Verfechter dieser Kleiderordnung nur wer sich islamisch kleidet, ein rechtgläubiger Moslem und – weitergehend – ein guter Mensch ist. Es handelt sich also um eine Politik der strengen Aus- und Abgrenzung: Hier die Gemeinschaft der Gläubigen, dort der Haufen der vom Glauben Abgefallenen und Ungläubigen. [...]

Es ist natürlich anders zu bewerten, ob sich jemand an diese Kleiderordnung hält, weil man nichts anderes kennt bzw. weil man dazu gezwungen wurde, oder ob man sich bewußt und demonstrativ dafür entscheidet. Im letzteren Fall wäre ich jedenfalls nicht bereit, mein Kind von einer Lehrerin unterrichten zu lassen, die schon in ihrer Kleidung solch strenge Abgrenzungen demonstriert und praktiziert. Auch wenn sich Frau Wolf-Almanasreh darüber mokieren sollte, stehe ich doch dazu, mich zu Aus- und Abgrenzern bzw. zu allen Arten von Fundamentalisten intolerant zu verhalten. Hans-Günther Kleff, Berlin