■ Gerhard Schröder setzt weiter auf Innere Sicherheit
: Trommeln für die Union

Aus Schaden wird man klug. Im Fall der SPD gilt der Lehrsatz offenbar nicht. Gerhard Schröder will auch nach dem Einbruch seiner Partei in Hamburg mit dem Spitzenthema Innere Sicherheit und populistischen Law-and-order-Parolen erst in den niedersächsischen und dann in den Bundestagswahlkampf ziehen. Der Hamburger Effekt wird sich wiederholen. Wieder wird die Union profitieren, denn die Christdemokraten gelten den WählerInnen weiterhin als die besseren Sheriffs. Der Mechanismus wird so lange weiterwirken, wie die SPD die Konzepte einer Kriminalitätsbekämpfung auf das angeblich so wirksame New Yorker „Null-Toleranz-Modell“ verengt.

Die SPD-Spitze sollte bei Gelegenheit den Wiesbadener Präsidenten des Bundeskriminalamtes aufsuchen. Der Fachmann Ulrich Kersten könnte nicht nur den niedersächsischen Ministerpräsidenten darüber aufklären, wie eine effiziente Kriminalitätsbekämpfung auszusehen hätte: „aktive Bürgerbeteiligung, für die Menschen ansprechbare und entscheidungsbefugte Polizeibeamte auf den Straßen, die Einbindung der Verwaltung und ein Vorgehen gegen Verwahrlosung, Ordnungsverstöße und Kriminalität in jeder Form“. Der BKA-Chef würde diktieren, „Null Toleranz“ allein reiche nicht. Keines der anderen von ihm aufgezählten Elemente dürfe entfallen, ohne das Ziel der Verbrechensminderung zu gefährden.

Bleibt nur die Frage, ob der Nachhilfeunterricht auch fruchten würde. Solange die Sozialdemokratie in ihren Wahlkampfstrategien die Bekämpfung der Erscheinungsformen und nicht die der Ursachen für Kriminalität in den Vordergrund stellt, so lange wird die Union die Innere Sicherheit als ihr authentisches Thema besetzen können. Anders könnte es aussehen, würde die SPD anstelle von „Null Toleranz“ auf ihre Fahnen „Null Jugendarbeitslosigkeit“ setzen.

In Hamburg haben beide, CDU und SPD, versucht, sich mit immer „besseren“ Vorschlägen zur Verbrechensbekämpfung gegenseitig zu übertrumpfen. Unter dem Strich führt das dazu, ein Bedürfnis nach mehr Innerer Sicherheit zu wecken, das dann aber mangels sinnvoller Konzepte nicht zu befriedigen ist. Es ist wie im Märchen von Hase und Igel: Kaum werden die plakativen Forderungen zur Verbrechensbekämpfung vorgetragen, stellt sich heraus, daß die Kriminalität trotzdem weiter wächst – und die Forderungen von gestern werden dann noch einmal ausgeweitet. Wolfgang Gast