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■ Die heilenden Sound-Symphonien von Spiritualized wirken wie Drogen

„Ladies and Gentlemen, we're floating in space.“Eine entrückte Frauenstimme eröffnet den aktuellen Spiritualized-Tonträger. Sie benennt einen Titel, der das, was um ihn herum passiert, nicht treffender hätte beschreiben können. Kurze Zeit später wird das reguläre Stück langsam eingeblendet, bis nach wenigen aufgeräumten Takten ein Dickicht sich überlagernder Arrangements einbricht – und über die folgenden 70 Minuten nicht abschwillt.

Zweifellos gehören Spiritualized zu der Sorte Bands, die unantastbar sind. Das verstehen selbst die perfiden Meinungsmacher vom New Musical Express.

1986 hatte Sänger Jason Pierce gemeinsam mit Sonic Boom Spacemen 3 gegründet und avancierte in vier Jahren zur lebenden Legende. Die in der Trennung mündenden divergierenden Standpunkte spiegeln sich deutlich in den Nachfolgeprojekten wider. Während Sonic Boom mit Experimental Audio Research an der Auflösung aller Strukturen arbeitet, bleiben Spiritualized dem Konzept Song weitestgehend treu.

Dazu gehen sie vielfältige Kooperationen ein. Zum Beispiel mit einem Gospel-Chor, dem Alexander Balanescu Quartett oder der Blues-Legende Dr. John. Insgesamt waren am Album 58 Personen beteiligt. Symphonische Dimensionen sind das, die live nicht eins zu eins umsetzbar sind. „Also mußt du sie durch Feedback-Noise ersetzen“, folgert Mr. Pierce himself, der gerade im Vorprogramm von Neil Young dessen Publikum verstört hat.

Doch das Weiße Rauschen verkümmert im Spiritualized-Kosmos nie zum Selbstzweck. Denn im Zentrum steht die Komposition und weist noch dem geringsten Geräusch seinen Platz auf einer der ineinander fließenden Ebenen zu. Die Perfektion reicht bis ins letzte Detail, auch hinsichtlich der Soundkonstellationen. Als Resultat folgt über weite Strecken eine komplex angelegte Reizüberflutung allerhöchster Genußstufe.

Das Packaging von „Ladies And Gentlemen...“ist einer Arzeneimittelverpackung nachempfunden. An alles wurde gedacht: Strichcode, Originalschriftzug, Verfallsdatum. Nur daß statt den Tabletten die entsprechenden CDs ins Aluminium eingeschweißt sind. Ein Beipackzettel ist außerdem vorhanden. Die Idee hinter dem Produkt aus dem Hause Farrow Design: Musik als Medizin für die Seele. Risiken und Nebenwirkungen sind erwünscht.

Sven Opitz

Mo, 29. September, 21.00 Uhr, Mojo Club