Gute Laune für den Rest des Tages

■ taz Architektur Sommer: HamburgerInnen beschreiben ihr meistgeliebtes oder meistgehaßtes Gebäude der Stadt. Teil VIII: Jan Störmer über eine Hochbahn-Trasse

Ich liebe an dieser Stadt: den Hafen, die Elbe, das Jenisch-Haus mit Park, die U3 von den Landungsbrücken bis Rödingsmarkt, den Geestrücken von Altona bis zum Leuchtturm in Wittenberge, die schiefe Bierbox an der Oberhafenbrücke, den Trompeter auf dem Michel-Turm, den Schwung der Markthallendächer, die Elbbrücken der A1, die Alster und die vielen Kanäle und Brücken, die Treppenhäuser und Paternoster der Hamburger Kontorhäuser.

Ich vermisse in dieser Stadt: Brunnen, Fahnen, Biergärten, Plätze und vor allem die weißen Holzstühle auf den Alsterwiesen.

Nun zum schlechten und guten Beispiel für Architektur und Städteplanung, das schlechte zuerst: Millerntor ist das Reizwort. Dort, wo am höchsten Punkt der Altstadt einst ein Hochhaus sauber als glatte Stele einen so wichtigen städtischen Drehpunkt markiert hat, wurschtelt sich heute ein Haufen gebauten Volumens, unentschieden in der Höhenstruktur, unsicher in Gebäudeform und Fassadengestaltung, da von jedem etwas, also beliebig, provinziell. Dies wäre nicht weiter tragisch, wenn es sich nicht um einen so bedeutenden Standort zwischen den beiden wichtigsten Vergnügungsflächen dieser Stadt, dem Heiligengeistfeld und der Reeperbahn, handelte. Sich über diese oder andere vertane Chancen zu ärgern, wird dieser doch schönen Stadt nicht gerecht. Aber es heißt aufpassen, denn zuviel Beliebigkeit kann Langeweile auslösen und davon kann Hamburg nicht mehr allzu viel vertragen.

Mein schönstes Bauwerk in dieser Stadt ist leider nicht aus unserer Zeit, ca. 80 Jahre alt ist es, und wird täglich von Tausenden benutzt. Es ist die U-Bahn-Trasse der Hamburger Hochbahn von den Landungsbrücken bis zum Rödingsmarkt. Wer, wie ich ,das Glück hat, nahezu täglich auf dieser aufgeständerten Trasse fahren zu können, muß gute Laune für den Rest des Tages bekommen. Hier spürt man die Kraft einer Hafenstadt mit Weltniveau, hier bin ich besonders stolz, in Hamburg zu leben und zu arbeiten, hier fällt mir viel ein zum Thema Stadtgestaltung, hier vermischt sich Traum und Wirklichkeit, hier werden Distanzen durch die Fahnen und Namen auf den Schiffsrümpfen aus aller Welt aufgehoben.

Ich schmunzele über die Touristen, die sich die Nase am zerkratzten Glas der U-Bahn-Fenster plattdrücken und sagen: Mann, ist das toll!

Jan Störmer

Jan Störmer ist Partner des Hamburg-Londoner Büros „Alsop & Störmer Architects“.