Schwefelschleuder Schiff als Schwefelschleuder

■ Tag der Schiffssicherheit in Bremen / Vereinte Nationen legen neue Sicherheitsforderungen vor / Verbot von schwerem Heizöl als Kraftstoff?

Neue Regeln für die internationale Schiffssicherheit und Forderungen zur Reinhaltung der Luft zwingen Schiffseigner zur Neuorganisation des Seeschiffsverkehrs. Dies wurde am Rande einer Tagung zum „Tag der Schiffssicherheit“deutlich, der auf die Arbeit der Internationalen Maritimen Organisation (IMO) aufmerksam machen soll. Die IMO ist eine Organisation der UNO und legt verbindliche Regeln für die Schiffahrt fest. Außerdem erarbeitet sie Richtlinien zum maritimen Umweltschutz.

„Nur im Kielwasser öffentlicher Empörung über Schiffsunglücke führt die Diskussion über Sicherheit im Schiffverkehr zu Konsequenzen“, meint Kapitän Hermann Kaps, Professor an der Hochschule Bremen. Kaps ist seit zehn Jahren einer der Berater der deutschen Delegation in der IMO. Zynischerweise haben die Schiffskatastrophen der letzten zehn Jahre sowohl des Personalverkehrs (Untergang der „Estonia“1994 mit über 800 Toten) als auch des Frachtverkehrs (Ver-seuchung vor der nordamerikanischen Küste durch den Bruch des Öltankers „Exxon Valdez“, 1989) zu einem Motivationsschub in der aktuellen Sicherheitsdebatte geführt. Zur Zeit werden zwei internationale Übereinkommen von der UNO in die Tat umgesetzt, die tief in die Schiffahrtswirtschaft eingreifen.

Schon seit Juli 1996 gilt für einige Bereiche der Passagierschiffahrt in Europa ein sogenannter ISM-Code. Das ist ein Forderungskatalog zur Neuorganisation der Schiffmanagements. Dieser Katalog wird 1998 für alle Fahrgastschiffe, Tanker und Massengutfrachter verbindlich. Ab 2002 gilt der Katalog weltweit für alle Schiffe. „Ein Quantensprung in der Sicherheit der Schiffahrt“, meint Kaps. Danach muß jede Reederei jeden Arbeitsgang innerhalb eines Schiffsmanagements und Schiffsbetriebes in einem Handbuch erfassen lassen. Nach vorgegebenen Standards wird jeder Abschnitt bewertet. In diesem Handbuch ist auch klargestellt, wer die Verantwortung jeweils für Schiffsführung, Aufstellung und Ausbildungsstand der Mannschaft, Ladung und den technischen Zustand des Schiffes übernimmt. Nur die Reederei, die von einer unabhängigen Treuhandfirma dieses Handbuch erstellen läßt und ausreichenden Sicherheitsstandard nachweisen kann, bekommt von der UNO das ISM-Zertifikat. Das Zertifikat kommt einer Betriebserlaubnis gleich.

Hans Werner Abtmeyer, Geschäftsführer des Bremer Reedervereins nimmt die UN-Forderrung gelassen: „Natürlich kommen auf uns Reeder Kosten zu. Aber das betrifft ja alle Reedereien. Es gibt also keine Wettbewerbsnachteile. Die Bremer Reedereien erfüllen die geforderten Sicherheitsstandards. Wir gehen davon aus, daß alle das Zertifikat bekommen.“

Der ISM-Code richtet sich vor allem gegen unausgebildete Schiffsbesatzungen. Immer wieder, so Hermann Kaps von der Hochschule Bremen, hätten eigenständige Firmen Mannschaften aus Asien, Indonesien oder Afrika rekrutiert, die einfachste seemännische Handgriffe nicht beherrschten. Selbst die Funktion eines Rettungsringes sei bei vielen „Billig-crews“nicht bekannt gewesen, meint Kaps.

Der zweite wichtige Eingriff in das Schiffahrtsmanagement bereitet sich im Bereich des Umweltschutzes vor. Die IMO prüft, schweres Heizöl als Kraftstoff für Schiffe zu verbieten. Raffenerien bieten zur Zeit ausschließlich diesen billigen Kraftstoff an. „Die Schiffahrt ist die einzige Betriebsorganisation, die heute durch den Verbrauch von schwerem Heizöl in dramatischen Mengen Schwefel ungefiltert in die Luft ablassen darf“, sagt Hermann Kaps. An Land, weiß Kaps, würde ein Betrieb mit dem Schwefelausstoß eines Tankers sofort dichtgemacht.

Problematisch ist auch die Ent-sorgung der Ölrückstände. Zwar schreibt die IMO das Führen eines Öltagebuches für Schiffe vor. Dieses Tagebuch kann von jeder Hafenbehörde kontrolliert werden. Trotzdem kommt es vor der deutschen Küste immer wieder zu illegalen Verklappungen. In einem Pilotprojekt hatte die Bundesregierung in norddeutschen Häfen bis 1991 eine kostenlose Ölentsorgung angeboten. In Bremen und Bremerhaven wurde dieser Service bis 1995 mit jährlich 3,5 Millionen Mark Kosten weitergeführt. „Wir konnten uns den Service nicht mehr leisten“, meint Ernst-Rüdiger Staats, Sprecher des Häfensenators. Jetzt werden wieder vermehrt illegale Öleinträge in die Nordsee festgestellt.

„Die UN-Mitglieder einigen sich immer auf den kleinsten gemeinsamen Nenner“, meint Hermann Kaps, „aber die neuen Forderungen machen die Schiffahrt wieder ordentlich organisierbar.“

Thomas Schumacher