Ein wilder Unbekannter

■ Kunstsammlung Böttcherstraße hat 66 Gemälde und Zeichnungen des amerikanischen Malers Clifford Holmead Phillips geschenkt bekommen

r. Phillips ist einer unserer guten Maler!“, äußerte 1927 ein beeindruckter Rezensent der New York Times im Anschluß an eine Ausstellung. Ein Pariser Kritiker schrieb wenig später, Clifford Holmead Phillips sei „eine ganz und gar eigenständige Persönlichkeit der zeitgenössischen amerikanischen Kunst.“Doch wie so oft verlief auch die Rezeption des 1975 in Brüssel verstorbenen und in Bremen auf dem Riensberger Friedhof beigesetzten expressionistischen Malers nicht auf den Wegen, die diese Lobeshymnen einst vorzeichneten. Anläßlich einer Werkschau in Marburg zu Beginn unseres Jahrzehnts bezeichnete die FAZ Phillips, der seine Werke seit 1944 nur noch mit Holmead signierte, schließlich als dem „wohl unbekanntesten amerikanischen Maler“dieses Jahrhunderts.

Wer also war dieser Holmead, der in seinem langen Leben (geb. 1889) über 1000 Ölgemälde und mehrere hundert Kohlezeichnungen angefertigt hat, von denen gestern durch eine Schenkung seiner Witwe, der gebürtigen Bremerin Elisabeth Phillips, 53 Exponate der Kunstsammlung Böttcherstraße übergeben wurden?

Als „Vorläufer der sogenannten 'Jungen Wilden'“mit thematischen Nähen zu Edward Hopper charakterisiert der Bremer Galerist Rolf Ohse den späteren Stil des Amerikaners. Die von Heftigkeit und Schnelligkeit geprägte Maltechnik habe die Neoexpressivität der deutschen Malerei der 80er Jahre vorweggenommen und ihren Höhepunkt in Porträts, Landschafts- und Gebäudebildern, die wenige Jahre vor seinem Tod entstanden sind, gefunden. „Short-hand-painting“nannte Holmead selbst seinen Ansatz, der sich durch einen dickschichtigen, häufig mit dem Spachtel ausgeführten spontanen Farbauftrag auszeichnet. „Wenn ich mit einer Leinwand mehr als fünf oder acht Minuten herumpfusche“, bekannte er einmal in einem Interview, „bekomme ich ein Postkartenbild, das man nicht gelten lassen kann.“

Ohse, der 1982 als erster Galerist – mit großem Erfolg – das Alterswerk Holmeads in Deutschland gezeigt hat, beeindruckt nicht nur die Exzessivität, mit der sich dieser „Außenseiter im Kunstbetrieb“in seinem Spätwerk seit den 60er Jahren auf der Leinwand austobte. Ohse schätzt darüber hinaus vor allem die Konsequenz, mit der Holmead an seinem individuellen künstlerischen Projekt festhielt und die ihn zugleich an den Rand des von Modeströmungen durchfluteten Kunstbetriebs spülte.

Möglicherweise sorgt die für den Sommer 1998 in der Kunstsammlung Böttcherstraße geplante Werkschau, die auf der Grundlage der Schenkung von Frau Phillips geplant ist, dafür, daß eine Neubewertung dieses Malers erfolgt. Alfred Moeke, Nachlaßverwalter von Holmeads Werk und Privatsammler, der die Schenkung der Witwe öffentlichkeitswirksam um 13 Bilder aus seinen eigenen Beständen ergänzt hat, wäre vermutlich daran gelegen. Der möglicherweise damit einhergehenden Wertsteigerung des beträchtlichen Privatbesitzes an Bildern, die Moeke noch sein eigen nennt, wird der Immobilienhändler aus Delmenhorst sicherlich nicht ungern entgegensehen. Aber wie verdorben muß ein Geist sein, daß er über Geschenke solche Vermutungen anstellt? zott