■ Nachschlag
: Alles wird gut: "Die Nase" nach Gogol im Maxim Gorki Theater

Die Nase sitzt mitten im Gesicht. Normalerweise. Was aber, wenn nicht? Wenn, nur mal angenommen, eine Nase zum beweglichen Objekt wird? Einfach mal spazierengeht? Dann haben die einen — der brave Barbier und seine Frau — eine Nase zuviel. Im Frühstücksbrötchen liegt sie, wie ekelhaft. Viel schlimmer aber ist der dran, der plötzlich eine Nase zuwenig hat. Wie der respektable Beamte Kowaljow. Der wacht eines Morgens auf, schaut in den Spiegel und hat sie verloren. Die Nase. Wie der Dauerverlobten Liza und ihrer Mutter ins Gesicht blicken? Vor allem, wenn die Nase dann auch noch in der Uniform eines ranghöheren Staatsrates durch die Stadt stolziert und den Damen den Hof macht.

Nikolai Gogols Novelle „Die Nase“, geschrieben 1835, gilt als erste surreale Groteske der russischen Literatur. Der Schotte Alistair Beaton hat daraus ein leichtes, behutsam modernisiertes Theaterstück gemacht, das das Maxim Gorki Theater als deutsche Erstaufführung zeigt. Die Inszenierung ist verliebt in den ostigen Charme des Stückes: Regisseur Mark Zurmühle, Hausregisseur am Staatstheater Hannover, läßt den Prolog auf russisch singen, Klaus Manchen als Polizeiinspektor Goljanski ist das vollendete Bild des dekadenten, korrupten Pummels in kryptosowjetischer Militäruniform, und die abgehackte Behörden-Sprache von Kowaljow klingt nicht nur nach Petersburg, 19. Jahrhundert, sondern auch nach real existierender sozialistischer Bürokratie. Hansjürgen Hürrig als Kowaljow, der Kastrierte, der Verzweifelte, ist zum Lachen tragisch, ein routinierter Komödiant — clownesk geschminkt wie alle Akteure.

Leicht wechselt die Nase, das flüchtige, zerknautschte Phallussymbol, von einem zum andern, geht den Frauen unter die Röcke und fehlt dem Manne da, wo seine Ehre sitzt. Genauso leicht gleiten die Szenen auf der Drehbühne ineinander über, ziehen Traumbilder vorbei, aus denen Nasen freundlich winken. Einzig Frank Seppeler als große Nase, Verführer und Konkurrent, ist ein bißchen blaß hinter seinem großen Kunstorgan. Am Ende ist alles gut, die Nase wieder mitten im Gesicht, und alle gehen vergnügt nach Haus. Elke Buhr

25./26.9., 1./3.10., 19.30 Uhr, Maxim Gorki Theater