Bertel brummt wieder

■ Die Delle ist zwar überwunden, sitzt Bertelsmann aber noch in den Knochen

Auch die Vorstandsrunde wurde sich nicht schlüssig. Was denn die Bereichsvorstände noch an Interessantem vortragen könnten, fragte Vorstandschef Mark Wössner vor der Bilanzpräsentation der Bertelsmann AG. Sonst würde die Presse wieder nur Fragen an „den Michael“ haben.

Jahre haderten die Vorstände mit dem Image, weil der Konzern mit seinen Buchklubs auch international allenfalls für seine Drücker- und Kostenrechnerqualitäten bekannt war. Nun will zwar endlich alles von Entertainment-Vorstand Michael Dornemann über den Stand des Digital-TV ins Bild gesetzt werden, aber es paßt schon wieder nicht.

Der Grund: Bertelkirch. Wer immmer dieses Wort in die Welt gesetzt habe, fauchte Mark Wössner über die taz-Kreation, er habe „eine Kopfgeburt ohne jeden Sinn“ gemacht, „eine Erfindung, die wir nicht kommentieren“. Schließlich arbeite man mit dem viel kleineren Kirch-Konzern doch nur „auf einem sehr kleinen Feld zusammen“. In den Vorträgen hatte Dornemann die Einigung mit Kirch als „historisch“ bezeichnet. Zwei bis drei Milliarden Mark wolle man bis 2000/2001 für die Bertelkirch-Digitalpläne in die Hand nehmen, 3,5 Millionen Abonnenten soll das bringen.

Ähnlich hochtrabend sind die Erwartungen bei Multimedia: Fast vier Millionen Online-Kunden sollen es werden, viermal soviel wie derzeit. Mit der gelungenen Übernahme von Compuserve scheint der designierte Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff seinen kühnen Multimedia-Prophezeihungen nähergekommen zu sein: 45 Prozent des Umsatzes sollen in drei Jahren mit elektronischen Medien gemacht werden (derzeit 35).

Ansonsten gehört für die Bertelsmänner das Wort Rekordergebnis zum guten Ton. 22,4 Milliarden Mark Umsatz (plus 4 Prozent), über eine Milliarde Mark Jahresüberschuß (wobei wegen des Zweidrittelanteils der Auslandsmärkte die Schwäche der Mark zupaß kam), da kann keiner meckern. Auch das Betriebsergebnis und die Renditen stiegen wieder an, wenngleich da die Delle des Vorjahres noch nicht wieder wettgemacht ist. Das bestimmt auch die Psychologie des Konzerns: Man glaubt, den leicht unrunden Lauf in der Geldmaschine Bertelsmann überwunden zu haben – aber er sitzt noch tief in den Knochen. lm