Kein Vorzeigetürke

■ Der SPD-Abgeordnete Hakki Keskin fühlt sich von seiner Partei mißbraucht

Berlin (taz) – „Für einen Vorzeigetürken bin ich der falsche Mann.“ Hakki Keskin, von 1993 bis 1997 SPD-Abgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft, erklärte gestern in einem offenen Brief, weshalb er auf eine erneute Kandidatur verzichtet hatte.

Vor vier Jahren wurde der Politikwissenschaftler in den Medien als erster nicht deutschstämmiger Abgeordneter in den Medien gefeiert. Damals, so Keskin, sei er häufig gefragt worden: „Glauben Sie nicht, daß die SPD Sie als Aushängeschild benutzen will?“ Diese Frage, die er damals aufrichtig verneinte, müsse er nach vier Jahren Parlamentsarbeit leider bejahen.

Er habe mit seiner Kritik bewußt bis nach den Hamburg-Wahlen gewartet, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, der SPD zu schaden. Sein Vorhaben, die Politik, die seit Jahren auf SPD-Parteitagen beschlossen wird, zum Wohl der Ausländer umzusetzen, sei völlig gescheitert. Einflußreiche Mitglieder des Fraktionsvorstandes seien nicht bereit, in der Ausländerpolitik etwas zu bewegen. Als Beispiel nennt Keskin eine Zehn- Punkte-Liste, die in der Bürgerschaft beschlossen worden war. Der Senat wurde darin aufgefordert, eine Reihe konkreter Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der ausländischen MitbürgerInnen zu ergreifen.

Unter anderem sollte der Senat ein Antidiskriminierungsgesetz einbringen und sich für Regelungen für den islamischen Religionsunterricht einsetzen. „Keine der zehn genannten Maßnahmen wurde in der vergangenen Legislaturperiode in die Tat umgesetzt“, so Keskin. Die mannigfachen Einwände würden in der SPD immer dann geäußert, wenn es an die konkrete Umsetzung gehe. Verantwortlich dafür seien die Strukturen der SPD-Fraktion. Sachkompetenz dringe kaum in die Fraktionsspitze vor. „Die SPD ist nicht mehr Hoffnungsträger bei der Lösung dringender Probleme, ihre Orientierung ist zu starr“, so das Resümee Keskins. Eberhard Seidel-Pielen