Schäubles Signal

■ Die CDU/FDP-Koalition zerfällt zusehends

Steuerreform nicht durchgesetzt, Rentenkonzept auch nicht, leere Haushaltskassen, Arbeitslosigkeit unverändert hoch. Derzeit sieht es so aus, als müsse die CDU vor diesem malerischen Hintergrund die heiße Phase des Wahlkampfs bestreiten – und das alles mit einem Kanzler, der glaubt, die Wahlen seien mit dem Thema Euro zu gewinnen. Der Fraktionschef der Union muß ziemlich verzweifelt sein.

Wolfgang Schäuble hat mit seinem Vorschlag, die Mineralölsteuer zu erhöhen, viel weiter gezielt als nur in den Vermittlungsausschuß. Die FDP, die sich freiwillig zu einer reinen Steuersenkungspartei degradiert hat, konnte Schäuble nicht zustimmen. Das weiß der auch. Sein Vorstoß muß daher als Versuch gewertet werden, in letzter Minute die Pferde zu wechseln.

In den letzten Monaten haben CDU und CSU große Rücksicht auf ihren Koalitionspartner genommen. Das ist ihrem eigenen Erscheinungsbild nicht gut bekommen. Genutzt hat es aber selbst der FDP nur wenig. Es bleibt fraglich, ob ihr der neuerliche Einzug in den Bundestag gelingt, zumal die Union dieses Mal wahrlich keine Leihstimmen zu verschenken haben wird. Schäubles Vorstoß ist ein Signal. Er wünscht keine weiteren Kompromisse den Liberalen zuliebe. Die CDU soll um ihre eigenen Wähler kämpfen.

Die Interessen der Bonner Koalitionspartner sind nicht mehr dieselben. Der nächste Streit ist programmiert. Die FDP braucht die Absenkung des Solidaritätszuschlags dringend für ihren Wahlkampf. Die Union kann ihn sich nicht leisten. Vielleicht bleibt den Liberalen am Ende keine andere Wahl, als die Koalition aufzukündigen.

Danach gäbe es zwei Möglichkeiten: sofortige Neuwahlen oder eine große Koalition. Weder die SPD noch die Grünen haben ein fertiges Konzept für die Wahlen in der Schublade. An einem vorgezogenen Urnengang kann die Opposition kein Interesse haben.

In einer großen Koalition stellt die Union als stärkste Fraktion erneut den Kanzler. Der würde dann aber nicht mehr Helmut Kohl heißen. Im Regierungslager wächst die Zahl derer, die einen personellen Neuanfang wünschen. Schäuble selbst hat zu Beginn des Jahres eingeräumt, er werde der Versuchung wohl nicht widerstehen können, sollte das Amt an ihn herangetragen werden. Da ist er in der Union allerdings nicht der einzige. Bettina Gaus