Opposition schart sich um Schäuble

■ Die Bonner Koalition lehnt Wolfgang Schäubles Vorschlag zur Rettung der Steuerreform ab. Nur SPD und Grüne greifen im Bundestag den Vorstoß des Unions-Fraktionschefs auf. Steuerreformgespräche heute abend ohne Chance

Bonn (taz) – Das hat's im Deutschen Bundestag noch nicht gegeben: Die grüne Fraktionssprecherin Kerstin Müller warb bei der Regierung eindringlich um Unterstützung für den Fraktionschef der Union: „Stimmen Sie Herrn Schäubles Vorschlag zu!“ Begeisterter Beifall von ihrer Partei und der SPD. Eisiges Schweigen in den sehr dünn besetzten Reihen von Union und FDP. Schäuble selbst war gar nicht erst gekommen.

Die Bündnisgrünen hatten die aktuelle Stunde beantragt, auf der über Schäubles Anregung diskutiert werden sollte, zur Senkung der Lohnnebenkosten neben der Mehrwert- auch die Mineralölsteuer zu erhöhen. Der Vorschlag ist in der Koalition nicht durchzusetzen. CSU und FDP lehnen die Initiative kategorisch ab. Bei einem Treffen der Koalitionsspitzen im Kanzleramt ist darüber nach Angaben des FDP-Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt nicht einmal gesprochen worden. Im Bundestag erinnerte Ingrid Matthäus-Maier (SPD) daran, daß Bundeskanzler Kohl Schäubles Vorstoß als dessen „persönliche Meinung“ bezeichnet habe: „Wie weit sind Sie denn eigentlich gekommen, daß Ihr Fraktionsvorsitzender nicht mehr handlungsfähig ist?“

Für die CDU mühte sich Hans-Peter Repnik, den Regierungskurs zu erläutern. Es gehe um zwei große Ziele: um die Steuerreform und um die Senkung der Lohnnebenkosten. „Umgetrieben vom Scheitern nach dem ersten Vermittlungsverfahren“, habe Schäuble schon vor Wochen in einem Interview die Möglichkeit weiterer Kompromisse in Aussicht gestellt. Darauf habe es keine Reaktion gegeben.

Repnik sagte, Schäuble habe lediglich zugesagt, für eine Erhöhung der Mineralölsteuer zu werben, „wenn es denn gelinge, eine Steuerreform und die Rentenreform durchzusetzen“. Diese Verknüpfung lehnt die Opposition ab. Für die SPD erklärte Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck das schon vor der Debatte. „Für Ihre Rentenreform stehen wir nicht zur Verfügung“, sagte dann auch Kerstin Müller für die Grünen im Bundestag.

Der Streit über Schäubles Vorstoß ist noch nicht zu Ende. In der CDU regt sich Unmut über die Haltung von CSU und FDP: „Wir dürfen auf die Blockade der SPD nicht mit einer Selbstfesselung der Koalition antworten“, erklärte Peter Altmaier (CDU) gegenüber der taz.

Heute abend tagt der Vermittlungsausschuß. Ihm werden kaum Chancen gegeben. Die Grünen werden Schäubles Vorschlag unterstützen. Es sei schwergefallen, die Kröte einer Mehrwertsteuererhöhung zu schlucken, meint Kerstin Müller: „Wenn die Regierungsvertreter unserem Antrag nicht zustimmen, hat sich der Blockadevorwurf gegen die Opposition endgültig erledigt.“ Bettina Gaus