Die andere Straßenseite

■ In St. Georg schwankt die Liebe zur DVU von einer Straße zur nächsten

Rechts ist links um die Ecke. Am Hansaplatz mit der offenen Drogenszene vorbei und vierhundert Meter geradeaus. Dort, im Wahlbüro Schmilinskystraße, hat die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) bei der Bürgerschaftswahl am Sonntag sieben Prozent der Stimmen bekommen.

Um die nächste Ecke ist schon wieder links. Das Wahllokal Koppel brachte der DVU nur 2,7 Prozent; dafür wurde die GAL dort stärkste Partei. „In St. Georg sind die Grenzen abrupt“, sagt Max Miller, Soziologieprofessor an der Hamburger Universität. „Mit ein paar Schritten kommt man von der Drogenszene in ein bürgerliches Milieu.“Und von dem, weiß Miller, hängt die Wahlentscheidung ab.

Ob die offene Drogenszene vorm Schlafzimmerfenster liegt oder elf Kilometer entfernt, spiele dabei keine Rolle. „Ob man wegen der Inneren Sicherheit rechts wählt oder nicht, kommt darauf an, wie man das Thema reflektiert.“

Schließlich, erklärt Miller, „operieren die DVU-Leute mit einfachen Vorurteilen und Parolen“. Die muß man nicht nur durchschauen, sondern auch komplexere Problemlösungen anderer Parteien erwägen.

Das Leben im sozialen Brennpunkt allein mache folglich noch keine Rechts-Wählerin – obwohl die DVU unbestritten die meisten Stimmen in armen Vierteln mit schlechter Lebensqualität bekommen hat. Im Wahllokal auf dem Schulterblatt im Schanzenviertel jedoch fuhren die Grünen mit rund 44 Prozent ihr stadtweit bestes Ergebnis ein, die Rechtsextremen landeten bei 3,8 Prozent. Trotz der offenen Drogenszene im Park neben der S-Bahn. „Das Thema Innere Sicherheit ist den Anwohnern hier sicher nicht unwichtig“, glaubt Miller. „Aber deshalb muß man ja nicht gleich nach dem Obrigkeitsstaat rufen.“ Judith Weber