■ Türkische Truppen marschieren in den Nordirak ein
: Ankara entfernt sich von Europa

Es ist ein Kreuz mit der türkischen Kurdenpolitik: Zunächst beklagt sich der türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz kurz vor seinem Deutschlandbesuch über die mangelnde Unterstützung Bonns bei dem Bestreben Ankaras nach einem Beitritt zur EU. Kurz darauf rückt die türkische Armee erneut in den Norden des Irak ein, um die Kämpfer der PKK zu jagen. Was ist los in Ankara? Hat die Regierung überhaupt noch etwas zu melden, oder sind es längst die Militärs, die das Sagen haben?

Im Mai dieses Jahres erst war die türkische Armee in den Nordirak gezogen, um mutmaßliche Lager der PKK zu zerstören. Und bereits 1995, als 35.000 türkische Soldaten über die Grenze vorgedrungen waren, hatte die Regierung erklärt, die PKK werde nie mehr in ihre Lager zurückkehren können. Daraus ist natürlich nichts geworden, denn eine Truppe wie die PKK – geübt im Partisanenkampf – läßt sich nun mal nicht mit einer einzigen Militäroffensive aus den Bergen Kurdistans vertreiben, geschweige denn zerschlagen.

Bisher hat noch jede türkische Offensive internationale Proteste ausgelöst. Zuletzt im Mai, als UNO- Generalsekretär Kofi Annan die Invasion verurteilte. Die EU erklärte ausdrücklich, das Kurdenproblem sei keinesfalls militärisch zu lösen. Im September 1996 – die Türken wollten eine bis zu zehn Kilometer tiefe Sicherheitszone im Nordirak einrichten – forderten die europäischen Sozialdemokraten gar, sämtliche finanziellen Mittel an die Türkei zu sperren – trotz der Zollunion mit dem Land am Bosporus. Im Dezember 1996 drangen erneut türkische Soldaten in den Nordirak ein. Angesichts dieser Hartnäckigkeit fragt man sich, was Ankara erreichen will.

Gewiß ist: Einer EU-Vollmitgliedschaft rückt die Türkei so keinen Millimeter näher. Erstaunlich auch, daß Ministerpräsident Yilmaz nun erklärt, sowohl die Menschenrechtsverstöße im Land, die „Demokratielücken“ und die Kurdenproblematik seien interne Probleme der Türkei – und die löse man auch intern.

Immerhin, als „Geste des guten Willens“ hat Yilmaz das Einreiseverbot für 21 Deutsche, die wegen Kritik an der türkischen Kurdenpolitik zu „unerwünschten Personen“ erklärt worden waren, aufgehoben. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Und die erneute Invasion im Norden des Irak? Auch eine Selbstverständlichkeit im türkischen Sinne? Kai Horstmeier

Der Autor ist Redakteur bei der Deutschen Welle