Einig über Nordirland-Gespräche

■ Ab Montag verhandeln die Konfliktparteien über die Zukunft Nordirlands. Tony Blair will Lösung bis Mai 1998

Belfast (AFP) – Nach der Einigung bei den Mehrparteiengesprächen über die politische Zukunft Nordirlands hat der britische Premierminister Tony Blair gestern „rasche Fortschritte“ bei den Verhandlungen verlangt. Auch wenn es wahrscheinlich schwierig werde, sei er entschlossen, die Verhandlungen bis zum Mai zum Abschluß zu bringen.

Die am späten Mittwochabend erzielte Einigung bezeichnete Blair als großen Erfolg. Vertreter protestantischer Unionisten und katholischer Nationalisten waren nach zähen Diskussionen übereingekommen, auf Grundlage eines von Großbritannien und Irland vorgelegten Papiers über den künftigen Autonomiestatus Nordirlands zu verhandeln.

Größtes Hindernis für die Einigung war die Forderung der Protestantenpartei Ulster Unionist Party (UUP) gewesen, die Entwaffnung der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) müsse noch vor Beginn der Verhandlungen erfolgen. Am Mittwoch billigte die UUP den Kompromißvorschlag der britischen und der irischen Regierung, nach dem eine internationale Kommission unter Leitung des kanadischen Generals John de Chastelain die Entwaffnung der Untergrundgruppen überwachen soll – parallel zu den Verhandlungen, nicht als Vorbedingung.

Den Antrag der UUP, die IRA- nahe Partei Sinn Féin von den Verhandlungen auszuschließen, lehnten London und Dublin am Abend ab. Sinn Féin habe nicht gegen die Mitchell-Prinzipien verstoßen, den von allen Gesprächsparteien anerkannten Friedenskodex.

„Dies ist ein historische Tag“, sagte der Sinn-Féin-Vorsitzende Gerry Adams. Auch der Vorsitzende der gemäßigt nationalistischen Partei SDLP, John Hume, bewertete die Einigung als einen Durchbruch. UUP-Sprecher Ken Maginnis kommentierte das Einlenken seiner Partei mit den Worten: „Wir müssen damit leben und Boden wettmachen.“

An den Verhandlungen, die am Montag beginnen sollen, nehmen acht der zehn nordirischen Parteien teil. Nur zwei kleinere protestantische Parteien, die Democratic Unionist Party (DUP) und die UK Unionists, boykottieren die Gespräche.

Der irische Justizminister John O'Donoghue begrüßte die Einigung ebenfalls. Nach dem Vorschlag Londons und Dublins sollen die Parteien bis Mai 1998 einem Autonomiestatus für Nordirland zustimmen, wobei die nordirische Provinz weiter Bestandteil des Vereinten Königreichs bleiben soll. Falls bis dahin keine Lösung gefunden wird, wollen die beiden Regierungen einen eigenen Vorschlag ausarbeiten und über diesen in Nordirland und in Irland abstimmen lassen.

Vertreter der Unionisten und der Sinn Féin hatten sich am Vortag erstmals in Belfast zu direkten Gesprächen getroffen. Für die Regierungen in London und Dublin ist die bloße Beteiligung der Sinn Féin ein entscheidender Faktor für die friedliche Beilegung des Nordirland-Konflikts. Voraussetzung dafür war die erneute Erklärung einer Waffenruhe der IRA vom 20.Juli.