Schulräte raus, Freiheit und Sparsamkeit rein

■ Bündnisgrüne Bildungspolitiker stellen in Berlin ihr Programm vor: Entstaatlichte Schulen mit mehr pädagogischen und finanziellen Kompetenzen

Gunda Röstel erhob ihr revolutionäres Bildungserlebnis zum Programm. Ende 1989 wählte das Kollegium der Förderschule im sächsischen Flöha sie, die damals keine 30 war, zur jüngsten Rektorin Sachsens. „Da konnte man was machen“, schwärmte Gunda Röstel gestern bei der Vorstellung bündnisgrüner Bildungsideen im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Schulgesetze der DDR waren de facto außer Kraft. Die oberste Schulaufseherin Margot Honecker kaltgestellt. Die KollegInnen bereit zu Experimenten.

Der glückliche, weil vorschriftenarme Moment der Revolution ist den Grünen Exempel für ihre Schule der Zukunft. Die Pennen sollen radikal entstaatlicht werden. Wie der Erziehungsministerin Honecker soll den Schulaufsichtsbeamten die penible Vorschriftenmacherei verboten werden. „Der Oberschulrat muß nicht entscheiden, ob die Klassenfahrt drei oder vier Tage dauert“, gab Röstel ein Beispiel für den kleinlichen Eingriff der Kultusbürokraten in den pädagogischen Alltag.

Die aus den preußischen Fesseln befreite Schule soll ihre neue Freiheit anwenden dürfen. Bei den Grünen hieße das etwa, Abschied zu nehmen von Bildung im 45-Minuten-Takt. „Denn die Freude am Verstehen endet nicht mit dem Ertönen der Schulglocke“, sagte Röstel. Im Pädagogenchinesisch nennt sich dieses abzuschaffende Ärgernis epochaler Unterricht. Noten gäbe es in der grünen Schule erst ab der Achten. Weil Zensuren „keinen Bezug zum Fach haben, sondern einen Vergleich innerhalb der Klasse darstellen“. Freiheit, die die Grünen meinen, wäre auch eine finanzielle. „Ich stelle mir vor, ich wäre Schulleiterin mit einem eigenen Budget“, träumte Ex-Rektorin Röstel, „dann könnte ich den Schulputz selber organisieren und die freiwerdenden Mittel in die Schule stecken.“

Sybille Volkholz erinnerte sich ihrer Zeit als GEW-Funktionärin. Damals hätte die Mitautorin des grünen Bildungsprogramms mit GEW-Genossen auf der Barrikade gestanden, um die Neueinstellung von 26.000 LehrerInnen zu fordern. „Wir machen Schluß mit der Tonnenideologie“, sagt die grüne Bildungspolitikerin heute. „Die Qualität der Schule steigt nicht proportional mit dem Haushaltsansatz“, heißt das im Antrag für die grüne Bundesdelegiertenkonferenz im November.

Was die Grünen, angestachelt von ihren Sparkommissaren wie Tom Koenigs oder Oswald Metzger, so cool verkünden, hat die Volkholz in Berlin schon manche Sympathie gekostet. Die GEW- GenossInnen sind nicht gut auf sie zu sprechen. Und auch auf der Bundesdelegiertenkonferenz wird es an Kritik nicht mangeln. Ob die Grünen Bildung zum Wahlkampfthema machen werden? „Ich hoffe es“, sagte Röstel, „nein, ich bin überzeugt.“ Christian Füller