Historische Chance

■ Nordirland: Unionisten und Sinn Féin an einem Tisch

In Nordirland werden ab Montag kommender Woche endlich die richtigen Leute richtig miteinander reden. David Trimble, Chef der größten Unionisten-Partei UUP, hat einen Drahtseilakt hinter sich.

Einerseits mußte er seine eigene Partei davon überzeugen, daß er nicht hinter deren bisherige Grundprinzipien zurückfällt – also keine Gespräche mit der IRA-Partei Sinn Féin, solange die IRA ihre Waffen nicht abgegeben hat. Deswegen hat er bis zuletzt immer wieder lautstark den Antrag gestellt, Sinn Féin auszuschließen. Gleichzeitig aber konnte er auch schlecht als Dauerbremser auftreten und sich der einhelligen Forderung der britischen und der irischen Regierung, an den Gesprächen teilzunehmen, verweigern. Deshalb geht Trimble trotzdem hin, auch wenn die Entwaffnungsfragen erst im Verlauf der Verhandlungen geklärt werden.

Sicher ist diese Einigung noch keine Lösung des Nordirland-Konfliktes. Aber sie zeigt, daß in den letzten drei Jahren, seit die IRA 1994 einen einseitigen Waffenstillstand ausrief, doch einiges in Bewegung gekommen ist. Auf beiden Seiten ist der Wille gewachsen, eine wie auch immer geartete Lösung auf friedlichem Wege suchen zu wollen. Und wäre Tony Blair ein Jahr früher zum britischen Regierungschef gewählt worden, hätte sogar die zeitweise Aufkündigung des Waffenstillstands durch die IRA Anfang 1996 vermieden werden können. Die konservative Major- Regierung hing von den Stimmen der Unionisten im Unterhaus ab – und war so nicht in der Lage, den nötigen Druck auszuüben. Erst jetzt kann die neue britische Regierung das tun – und nun sind es die Unionisten, die zusehen müssen, nicht den Anschluß zu verlieren.

Die internationale Gemeinschaft ist jetzt gefordert, die verhandlungsbereiten Führungspersonen beider Seiten zu stärken. Nur so wird zu verhindern sein, daß radikale Splittergruppen den Verhandlungsprozeß wieder in Schutt und Asche bomben, bevor er überhaupt richtig begonnen hat.

Dazu gehört aber auch, daß die seit Jahrzehnten andauernde Diskriminierung der katholischen Minderheit in Nordirland ein Ende hat. Ein vereintes Irland allerdings, das muß auch den Nationalisten klar sein, ist genausowenig zu haben wie eine pure Festschreibung des Status quo. Bernd Pickert

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