Messer zwischen den Zähnen

Bahnkonzern Adtranz will in der Bundesrepublik 1.800 von 7.800 Stellen streichen. Der Chef spricht von „harter Sanierung“, die IG-Metall will Manager entlassen  ■ Aus Berlin Hannes Koch

Ein relativ geiles Gerät“ sei der neue „peoplemover“, begeistert sich Rolf Eckrodt. Mit flotten Sprüchen charakterisiert der Deutschland-Chef des weltgrößten Bahnherstellers Adtranz nicht nur das gerade entwickelte Schienentransportsystem für Flughäfen. In griffigen Formulierungen redet er auch über die Zukunft seiner Firma und die geplante Vernichtung von Arbeitsplätzen: „Ich habe das Messer zwischen den Zähnen. Nur durch einen harten Sanierungsprozeß“ seien die Probleme in den neun deutschen Adtranzfabriken zu lösen, so Eckrodt nach der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag abend in Berlin.

Von 1996 bis 2000 will der Vorstand die bundesdeutsche Belegschaft von 8.500 auf 6.000 reduzieren. 700 ArbeiterInnen wurden bereits ausgelagert, gekündigt oder mit Abfindungen verabschiedet. Jetzt stehen noch 1.800 Arbeitsplätze auf der Abschußliste, mindestens 370 davon im Werk Henningsdorf nördlich Berlins. Der Betriebsrat macht dagegen mobil: Vor kurzem streikte in Kassel, Nürnberg, München und an den sechs anderen Niederlassungen die komplette Belegschaft. Noch verrät Eckrodt nicht, wo der Hammer fällt. Es kann jeden treffen.

Weltmarktführer Adtranz, ein Zusammenschluß der Bahnproduktionen von Daimler und ABB, machte 1996 weltweit 6,1 Milliarden Mark Umsatz und erwirtschaftete mit seinen knapp 22.000 Beschäftigten rund 40 Millionen Mark Gewinn. Die Anteilseigner wollen jedoch mehr Kapitalrendite sehen: Mehr als verdoppeln müsse sich der Gewinn.

In Europa will der Bahnproduzent deshalb 5.000 Stellen abbauen. Argwöhnisch blicken die Vorstände vor allem auf die deutschen Werke, wo 1996 rund 200 Millionen Mark Verluste aufliefen.

Deutschland-Chef Eckrodt will die Kosten deshalb um mehr als ein Drittel senken. Einen Ausweg gebe es nicht, argumentiert der Bahnmanager. Allein die Deutsche Bahn AG habe die Kaufpreise für Loks und Waggons in den vergangenen Jahren um 30 Prozent gedrückt. Auch die tendenziell bankrotten Städte wollten immer weniger Geld für ihre Straßen-, U- und S-Bahnen ausgeben.

Eckrodts Rezept: „Wir müssen nicht alles können.“ Adtranz solle sich auf die „Entwicklung, intelligente Montage und Übergabe“ der Bahnsysteme konzentrieren. Die Produktion der rohen Stahlgehäuse für Waggons, eine alte Technik, werde nach Großbritannien, Portugal oder auch ins Adtranzwerk im polnischen Wroclaw (Breslau) ausgelagert. Die High- Tech-Herstellung von Wagenkästen aus Aluminium könne in Henningsdorf bleiben.

Peter Friedrich, örtlicher Sekretär der IG Metall, sieht nach Eckrodts Präsentation sogar die Hälfte der 3.200 Stellen in Henningsdorf gefährdet. Auch die Gewerkschaft weiß zwar, daß einfache Arbeitsschritte wie Stahlschweißen und Lackieren im Inland nicht zu halten sind. Trotzdem entwickelte man den Slogan: „Lieber 25 Prozent Manager entlassen als 25 Prozent Arbeiter.“ Friedrich meint, an den hohen Kosten durch schlechte Betriebsabläufe seien Manager schuld. Wenn man keine Prototypen mehr baue, um zu sparen, müsse man sich nicht wundern, wenn ausgelieferte Straßenbahnen aus den Schienen springen. Diese Kosten würden durch Entlassungen nicht verringert.