Steuerreform gescheitert, Wirtschaft heult auf

■ Firmen vermissen Signal für Investoren, zahlen aber seit Jahren immer weniger an den Staat

Berlin (taz) – Die Steuerreform kommt nicht, und selbst wenn, wäre sie der Wirtschaft viel zu verwässert. Das war seit Monaten klar. Trotzdem zeigten die Industrieverbände gestern Aufregung über das Scheitern der Vermittlungsgespräche zwischen Bundesregierung und SPD-Ländern.

„Ein unerfreuliches Signal“, meint Hans Peter Stihl vom Deutschen Industrie- und Handelstag DIHT. Auch die jüngsten Kompromißvorschläge wie von Wolfgang Schäuble (Mineralölsteuer rauf und dafür Lohnnebenkosten runter) will der DIHT nicht gutheißen. Er verlangt erst einmal Steuererleichterungen. Dann werde die Wirtschaft bald wieder brummen und so dem Staat die verpaßten Milliarden wieder hereinbringen.

Ausländische Investoren sähen in dem Aus für das Steuerprojekt einen Beleg für den „Reformunwillen in Deutschland“ so bei der Industrie beschäftigte Volkswirte in einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters. Dadurch würden weniger Gelder aus dem Ausland hereinkommen, die Wirtschaft etwas weniger wachsen als mit einer Reform möglich gewesen wäre.

Wenn man dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) folgt, dann haben Unternehmen in den letzten zehn Jahren allerdings eine schleichende Steuerreform genossen: Ihr Anteil an den Steuern fiel munter. Der Anteil ihrer Einkommensteuer am Gesamtsteueraufkommen sank von 6,6 auf 2,9 Prozent, absolut von 30 auf 26 Milliarden Mark. Genauso die Körperschaftssteuer. Dort stehen heute 29 Milliarden Mark (3,7 Prozent) in Theo Waigels Büchern, vor zehn Jahren waren es noch 32 (7,1 Prozent). Die Gewerbesteuerbeträge stiegen zwar absolut von 32 auf 46 Milliarden Mark, ähnlich wie die Gewinne. Doch selbst hier sank der Anteil am Steueraufkommen noch von 7,1 auf 5,7 Prozent – weil die abhängig Beschäftigten vom Finanzamt immer stärker belangt werden.

Die Wirtschaft wird aber weiter versuchen, die Steuergesetze zu ihren Gunsten zu ändern. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt meinte, die Ziele der Steuerreform dürften „nicht zu den Akten gelegt werden“. Der DIHT forderte eine Erleichterung bei Steuern und Abgaben, wo dies ohne Zustimmung des Bundesrates geschehen könne. Reiner Metzger