„Neues Personal ist unvermeidlich“

■ Werner Stumpfe, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, erwartet nur wenige neue Arbeitsplätze durch den Tarifabschluß

taz: Die Metallarbeitgeber im Südwesten haben sich erfolgreich gegen eine allgemeinverbindliche Altersteilzeit im Tarifvertrag gewehrt. Warum mußte es für Sie unbedingt eine freiwillige Regelung sein?

Werner Stumpfe: Weil wir eine Unternehmensstruktur haben, in der der Mittelstand eindeutig dominiert. 80 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen haben weniger als 200 Beschäftigte. Und die Altersteilzeit ist für sie etwas Fremdes, was bisher nicht angewandt wurde und zudem der Branchenstruktur nicht gerecht wurde.

Deswegen haben wir jetzt in der südwestdeutschen Metallindustrie so lange nach einer Lösung gesucht, die die mittelständischen Unternehmen nicht zu etwas zwingt, was sie nicht haben wollen. Gleichzeitig haben wir den größeren Unternehmen eine weitreichende Regelung an die Hand gegeben, Betriebsvereinbarungen für Beschäftigte ab dem 55. Lebensjahr zu vereinbaren.

Welche Betriebe werden sich darauf einlassen?

Vor allem bei den großen Unternehmen besteht ein Bedarf, sich dieses Instruments zu bedienen. Für den Bereich Nordwürttemberg/Nordbaden wird geschätzt, daß 20.000 Mitarbeiter von dieser Regelung betroffen sein können. Aber dies betrifft, wie gesagt, nur die Großbetriebe.

Haben denn diese Betriebe auch schon etwas über mögliche Neueinstellungen verlauten lassen?

Nein, davon habe ich nichts gehört. Obwohl es bei dieser Größenordnung ganz unvermeidlich sein wird, neues Personal einzustellen. Allerdings nicht im Verhältnis eins zu eins, aber es wird doch Neueinstellungen geben. Es wird nicht möglich sein, daß man nach den Personalstrukturbereinigungen der vergangenen Jahre jetzt noch einmal 20.000 Mitarbeiter über die Altersteilzeit abbaut, ohne daß an der einen oder anderen Stelle ein Einstellungsbedarf besteht.

Sie halten den beschäftigungspolitischen Aspekt der Altersteilzeit für eher niedrig?

Dazu kann ich mich nicht genau äußern. Ich kenne ja die Unternehmen noch nicht, die freiwillige Betriebsvereinbarungen zur Altersteilzeit abschließen werden.

Dieses Thema beschäftigt die Branche doch schon über anderthalb Jahre. Da können Sie keine Tendenz formulieren?

Ich bin ja schon glücklich darüber, daß in der Metallindustrie der große Personalabbau auf absehbare Zeit vorbei ist. Wir bauen zur Zeit nicht mehr Personal ab, sondern holen langsam wieder Personal auf. Etwa in der Automobilindustrie, ein wenig jetzt auch im Maschinenbau. Darüber bin ich sehr zufrieden, daß diese unsägliche Zeit vorüber ist, wo man jeden Monat mit 20.000 und mehr Leuten, die abgebaut wurden, in der Zeitung stand. Interview: Annette Rogalla