Alle Hände voll zu tun Von Klaudia Brunst

Neulich hatte ich die Faxen dicke. Beherzt klingelte ich an der Tür, um nach Wochen der Untätigkeit nun doch unseren neuen Nachbarn davon zu überzeugen, alle vierzehn Tage, wie es in seinem Vertrag steht, die Treppe zu putzen. Ich weiß, das ist extrem spießig. Aber es ist auch extrem nervig, immer alleine die Treppe zu putzen.

Natürlich hatte ich mir das so vorgestellt, daß mich der Neue höflich hereinbitten würde („Tschuldigung, aber es ist nicht so aufgeräumt.“ – „Nur keine Umstände, ist doch nur die Nachbarin“) und wir dann bei einem Täßchen Kaffee die unangenehme Angelegenheit klären würden.

Als sich die Tür nach dem zweiten Klingeln schließlich öffnete, war klar, daß alles ganz anders kommen würde: „Ja?“ sagte mein neuer Nachbar halb zu mir, halb noch in sein schnurloses Telefon. „Ähh“, stolperte ich rhetorisch ungeschickt mit der Tür ins Haus. „Ich hätte da ein Problem...“ – „Momentchen Babs, bleib mal kurz dran“, widmete er mir daraufhin unwirsch seine Aufmerksamkeit, indem er schützend seine rechte Hand über Babs legte. „Also, es geht darum“, radebrechte ich, durch Babs in der Warteschleife völlig aus dem Konzept gebracht, „also, es geht darum, daß du eigentlich mit Putzen dran wärst.“ – „Klar, kein Problem“, nickte mein Gegenüber eifrig und wollte sich schon wieder Babs widmen. „Schön, daß es für dich kein Problem ist...“, gab ich hartnäckig zurück, während ich meinen Fuß in die Tür stellte. „Und warum putzt du dann nicht?“ – „Klar, kein Problem, ich putze noch heute, kein Problem. Is sonst noch was?“

Funktelefone sind ein Fluch. Funktelefone sind die Fortsetzung des Anrufbeantworters mit anderen Mitteln. Funktelefone sind der Superlativ für Handys. Früher gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Anrufbeantworter sprang an und signalisierte, daß der Teilnehmer nicht zu Hause oder jedenfalls nicht ansprechbar war. Zugegeben, es war auch immer etwas erniedrigend, dann in den Hörer rufen zu müssen: „Hallo, Biggi, geh doch mal ran. Ich bin's, nicht deine Mutter.“ Aber wenn der Hörer aufgenommen wurde, hatte man wenigstens das beruhigende Gefühl, daß der Gesprächsteilnehmer am anderen Ende der Leitung auch tatsächlich gesprächsbereit war. Selbst wenn man eine Handynummer anruft, weiß man immerhin, daß der Teilnehmer unterwegs ist. (Warum sonst hätte er wohl ein Handy?) Im Zeitalter der Schnurlosen kann man sich überhaupt nicht mehr sicher sein. „Hallo, Klaudia hier! Störe ich dich gerade?“ eröffnete ich früher meine Telefonate. Heute nimmt mein Gesprächspartner grundsätzlich nach dem zweiten Klingeln ab und antwortet mit Sicherheit: „Nein, du störst gar nicht. Ich bin nur gerade dabei, Kartoffeln zu schälen.“ Oder: „Überhaupt nicht. Wir sind gerade gemütlich in der Badewanne.“ Oder sie sagen gar nichts, sondern stöhnen nur unangenehm intim in den Telefonhörer, während sie (das erfährst du aber nur auf Nachfrage) gerade versuchen, mit einer Hand ihre Altpapierbündel zusammenzubinden.

– „Na, dann...“, kapitulierte ich letztlich auch vor meinem Nachbarn. „Schöne Grüße auch an Babs.“ – „Danke, ja. Nein, Babs, du störst überhaupt nicht...“, hörte ich ihn noch sagen, während sich die Tür langsam schloß.