Bomben und Gewächshäuser

■ Gesprächskontakte zwischen Israel und Palästinensern wieder- aufgenommen. Netanjahu verweigert weiterhin Teilrückzug

Jerusalem (taz) – Wer geglaubt hat, Siedlermagnat Irving Moskowitz werde nach der erfolgreichen Besetzung zweier Häuser in Ras al-Amud erst einmal Zurückhaltung üben, sieht sich getäuscht. Es hat ihn offensichtlich nicht ruhen lassen, daß ihm der Bau einer neuen jüdischen Siedlung mitten in dem arabischen Viertel in Ost-Jerusalem, wenn auch nur voerst, verwehrt wurde. Wenn schon keine richtigen Häuser, dann wenigstens Gewächshäuser, muß er sich gesagt haben. Nach einer Meldung des israelischen Rundfunks will er in Abu Dis, einem arabischen Vorort von Jerusalem, ein Landwirtschaftsprojekt errichten. Und er hat auch gleich das Landwirtschaftsministerium um Hilfe gebeten. Das prüft derzeit, ob und wie das Vorhaben unterstützt werden kann.

Während in New York die frohe Botschaft verkündet wird, daß die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern wiederaufgenommen werden sollen, hat sich vor Ort gar nichts geändert. Die Erweiterungen der israelischen Siedlungen gehen munter weiter. Der Oberste Gerichtshof hat erst in der vergangenen Woche entschieden, daß es keine grundsätzlichen Einwände gebe, in Ras al- Amud eine Siedlung zu errichten. Und einen auch nur vorübergehenden Baustopp auf dem Jebel Abu Ghneim oder Har Homa hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erneut kategorisch ausgeschlossen.

Er verweigert weiterhin den in diesem Monat fälligen Teilrückzug der israelischen Truppen. Statt dessen ließ er in der vergangenen Woche die Armee die Wiederbesetzung autonomer palästinensischer Gebiete proben, um dennoch am Sonntag frohgemut bekanntzugeben, daß er innerhalb eines Jahres den Abschluß eines endgültigen Friedensabkommens mit den Palästinensern erwarte.

Auch wenn Netanjahu inzwischen einräumt, daß Arafat mit dem Kampf gegen die Fundamentalisten von Hamas Ernst macht, hält er die Hälfte der Steuergelder, die Israel der Autonomiebehörde schuldet, auch weiterhin zurück.

All das minderte jedoch nicht die Erfolgsaussichten des gestrigen Treffens zwischen Israels Außenminister David Levy, Arafat-Stellvertreter Mahmud Abbas (Abu Mazen) und US-Außenministerin Madeleine Albright am Rande der UN-Vollversammlung. Zur Debatte standen eben nicht die „harten Entscheidungen“, die die US- Außenministerin von beiden Parteien gefordert hatte. Diskutiert wurde nur über das Prozedere zur Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen.

Nach sechsmonatigem Stillstand mag die Wiederaufnahme der Verhandlungen als Erfolg erscheinen. Doch die Frage vor Ort lautet schlicht: Was macht die israelische Regierung falls Hamas erneut einen Anschlag verüben sollte? Erneute Abriegelung, Stopp der Verhandlungen oder gar Wiederbesetzung der Autonomiegebiete?

Die Zukunft der Friedensverhandlungen hängt aber nicht nur von möglichen Hamas-Anschlägen ab. Mindestens so entscheidend ist die Frage der Siedlungen. Bis jetzt hat Netanjahu noch immer über kurz oder lang den Forderungen der extremistischen Siedler nachgegeben. Wenn die US-Regierung nicht willens oder in der Lage ist, Israel zu Konzessionen in der Siedlungsfrage zu bewegen, kann der Friedensprozeß keine Zukunft haben. Selbst die direkte Aufnahme der Abschlußverhandlungen ist sinnlos, wenn die israelische Regierung den Palästinensern nicht mehr in Aussicht stellen will als ein paar erweiterte „Bantustans“.

Die von Albright vielbeschworene „Gegenseitigkeit“ in diesem Prozeß steht jetzt auf dem Prüfstand. Die israelische Regierung hat für die Bekämpfung des Hamas-Terrors durch Arafat bislang nicht mehr geboten als die Wiederaufnahme der Verhandlungen. Selbst wenn die längst überfälligen Vertragspunkte wie der Bau von See- und Flughafen in Gaza oder die Verbindungsstraße zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen endlich erfüllt würden, kann schwerlich von „Gegenseitigkeit“ gesprochen werden.

Bei Einhaltung der vereinbarten Teilrückzüge würden die Palästinenser nämlich zu Beginn der Abschlußverhandlungen 80 Prozent ihrer Gebiete kontrollieren. Genau das aber ist die Form von „Gegenseitigkeit“, die die israelische Regierung verhindern und die US-Regierung nicht erzwingen will. Georg Baltissen