Blumen kaputt gekollert

■ Neues aus dem Blaumeier-Universum: Mit dem „Grindkopf“setzte das verrückteste Theater des Weltalls auf viel Technik und zu wenig auf Spiel

Die einzelnen Produktionen des Blaumeier-Ateliers sind kaum vergleichbar, weil ihr Anspruch eben kein „normaler“ist. Denn die Blaumeier-Stücke lassen sich nurmehr an den Standards messen, die das aus psychisch Kranken und Gesunden bestehende Ensemble selbst setzt. Nach zehn Jahren Arbeit mit zum Teil international erfolgreichen Projekten ist das allein keine leichte Sache mehr. Denn was sollte einem „Fast Faust“noch folgen, der 1994 und 1995 Publikum und Presse gleichermaßen zu Begeisterungsstürmen hinriß?

Mit der alten Star-Besetzung, einem verkleinerten Ensemble und einem völlig neuen Konzept hatte am Montag die Antwort Premiere. Im ausverkauften Schlachthof präsentierte man den „Grindkopf“nach Tankred Dorst. Dessen Bearbeitung des Grimmschen „Eisenhans“bot allerdings nur die Grundlage zur neuen Reise ins märchenhafte Blaumeier-Universum.

Wieder einmal stand das Spiel mit der Geschichte und nicht der sture Text im Vordergrund: Es ist die vom Eisenhans (gespielt von Peter Hartwich), dem wilden Außenseiter, der gepiesackt, gefangen und schließlich vom Königssohn (Wolfgang Götsch) befreit wird. Von eben diesem zarten Königssöhnchen, das aus mütterlichen Fesseln vom Eisenhans entführt wird und an den Hof eines fremden Königs gerät. Dort regiert ein böser Gärtner (Pago Balke), der alles mit Schimmel, Unkraut und Mißgunst verseucht. Dieser nennt den Prinzen „Grindkopf“, denn der will die Mütze nicht abnehmen, um seine goldenen Haare nicht zu zeigen.

Am Hof des kahlen Königs muß „Grindkopf“allerlei Prüfungen bestehen, in den Krieg ziehen und insgesamt erwachsen werden. Außerdem muß er natürlich mit der „verrücktesten“der sechs Königstöchter (Viktoria Tesar) klarkommen, die ihn desto schlechter behandelt, je mehr sie ihn mag. Nachdem sie ihm erst seine „Blumen kaputt gekollert“hat, finden die beiden – wie im Märchen – am Ende doch zusammen.

Aus einer Vielzahl von Szenen und Bildern setzt sich bei Blaumeier die Geschichte zusammen. Darin liegen nun Schwächen und Stärken des Stückes zugleich. Denn wo die großen Bilder wirken, machen manche Szenen wenig Sinn. Längen und Verzettelungen entstehen da, wo Nebenhandlungen inszeniert werden und Nebenfiguren eine eigene Geschichte beginnen aber nicht ausführen. So wird in zwei Stunden vom Publikum einiges an Aufmerksamkeit gefordert.

Die Ausstattung des „Grindkopf“ist unter der Regie von Barbara Weste ebenso opulent, wie sie es beim „Fast Faust“war: Passend zum Thema des „Eisenhans“engagierte man Bremens bekannteste „Eisenbeißerin“Anja Fußbach, eine außergewöhnliche Kulisse und Requisite zu schmieden.

Mehrere Monate wurde gleich von drei Kostümbildnerinnen an der prächtigen Garderobe gearbeitet, die mit leichten Stoffen einen schönen Gegensatz zu den schweren Eisenstücken bildet. Auch die Musik wurde maßangefertigt und dient nicht allein der Orchestrierung des Gespielten, sondern erzählt ihren eigenen Teil der Geschichte. In der kleinen Trio-Besetzung vielschichtiger geworden als beim „Faust“, begleitet sie flexibel das manchmal improvisierte Bühnen-Geschehen.

Etwas schade war bei der Premierenhektik vielleicht, daß das freie Spielerische gegenüber all der aufgefahrenen Technik etwas verloren ging. Aber bei Blaumeiers sind auch die einzelnen Aufführungen kaum vergleichbar. Die AkteurInnen machen sich ja gerade erst warm. Bald fahren sie auf Tour ins Ruhrgebiet, und wenn sie wiederkommen, wird's erst richtig „verrückt“. Helene Hecke

Vorerst letzte Bremen-Vorstellung heute um 20 Uhr im Schlachthof