Computer-Freaks an den Stadtrand

■ WfG plant an der Horner Mühle ein Multi-Media Zentrum / Ein Teil der Szene will sich lieber in der City vernetzten

Der Informationstechnik gehört die Zukunft, denken sich landauf landab die Wirtschaftsförderer. Nach dem Vorbild anderer Städte möchte auch Bremen ein Multimedia-Zentrum einrichten, um Internet-Firmen, Design-Labors und CD-Rom-Produzenten den Sprung in den Markt zu erleichtern. Doch ein wichtiger Teil der Bremer Szene will nicht mitmachen.

Denn die Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WfG) hat einen Standort am Stadtrand ausgesucht. Viele der Computer-Freaks wollen aber lieber in der Innenstadt arbeiten und haben ein eigenes Konzept vorgelegt: Eine Multimedia-Meile im citynahen Faulenquartier, vernetzt unter dem Titel „Wired Community“. Bremer Makler bieten bis zu 8.500 Quadratmeter Büros im Faulenquartier zu günstigen Preisen für Multimedia-Firmen an.

WfG und Wirtschaftsbehörde verfolgen aber das Konzept „Alles unter einem Dach“im Außenbezirk: Das Schulungszentrum der Telekom an der Horner Mühle soll ab 1998 Schritt für Schritt mit Multimedia-Firmen gefüllt werden. Mieten von 11,50 Mark kalt pro Quadratmeter, Schulungsräume, eine Aula mit 400 Sitzplätzen, ein Hotel auf dem Gelände und 400 Parkplätze sind für den WfG-Akquisiteur Ralf Meyer schlagende Argumente.

Vermietet würden die Räume von der Telekom-Tocher DeTeImmobilien, sagte Meyer. Die WfG strebe einen Rahmenvertrag an, der sicherstelle, daß Multimedia-Firmen in die von der Telekom freigemachten Räume einziehen könnten. Noch müsse man untersuchen, welche technischen Voraussetzungen für die neuen Mieter vorhanden seien oder ob noch ein leistungsfähiger Datennetz-Anschluß gelegt werden müsse, sagt Meyer. Insgesamt müßte die Stadt weniger als eine Million Mark dazugeben.

Rainer Krause, einer der Köpfe der Firma „Farm“und Motor des „Wired Community“-Konzepts, hat wie seine rund 20 Mitstreiter aus verbundenen Kleinunternehmen jedoch keine Lust auf einen Campus am Stadtrand. Auch im Technologie-Park an der Universität, wohin die „Farm“nach dem Scheitern ihres Projekts „Multi-Media-Haus“in der alten HNO-Klinik des Krankenhauses St.-Jürgen-Straße umgezogen war, fühlen sich die Tüftler nicht wohl.

An der Uni würden um 17 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt. „Wir arbeiten eben auch mal die Nacht durch, gehen zwischendurch mal in ein Café was trinken und dann wieder vor den Bildschirm“, sagt Krause. Außerdem müßte sich die „Farm“in Horn einen Fuhrpark anschaffen. Bisher reichten Fahrräder und ein altes Auto. Die Firma wächst zwar schnell, besonders ertragsstark ist die „Farm“aber, ebenso wie die meisten anderen jungen Unternehmen der Branche, noch nicht.

Mit einigen Huntertausend Mark Förderung ließen sich auch im Faulenquartier die nötigen Netzanschlüsse legen, schätzt Krause. Außerdem leiste man so einen Beitrag zur von den Stadtplanern gewünschten Aufwertung des Faulenquartiers. Auch Multimedia-Macher, die nicht zum direkten Farm“-Umfeld gehören, teilen Krauses Bedenken gegen den Stadtrand: Jürgen Hänel, Chef von „Rabbit Graph“, bleibt lieber an der Sögestraße: „Wir sind gegen eine Ghettoisierung.“

WfG-Mann Meyer denkt sich das Zentrum in Horn aber auch als Schauraum für zögernde Unternehmer anderer Branchen. So etwas wie ein „ständiger Messeplatz“könne in Horn entstehen, um Mittelständlern den Vorteil einer eigenen Home-Page im Internet, einer Multimedia-Präsentation ihrer Produkte oder ein Angebot zum Online-Einkauf klarzumachen. Um an neue Kunden heranzukommen, seien auch repräsentative Räume notwendig, sagt Meyer.

Einig sind sich Meyer und die Verfechter einer „Wired Community“in der City in ihrer Kritik an der Politik: Während in anderen Bundesländern die Multi-Media-Ansiedlung Chefsache sei, fehle es in Bremen an einer politischen Leitfigur, um die verschiedenen Projekte zu bündeln und Bremens Stärken eines gut ausgebauten Datennetzes zu vermarkten. Joachim Fahrun