Männer sollen Prügeln verlernen

■ Wenn Liebe zuschlägt – ein Projekt gegen Prügel in der Ehe im Bremer Westen: Schläger bekommen die Chance, straflos zu bleiben, wenn sie einen sozialen Trainingskurs belegen Bremen West

Alle sind gegen Prügel. Alle? Männer mal mehr, mal weniger, sagt Rainer Zottmann vom Polizeiführungsstab Bremen West. Traurige Erfahrung seiner BeamtInnen: In der scheinbar „geschützten“Privatzone neigen Männer dazu, Konflikte in der Familie gewalttätig zu lösen. Häufig sei Alkohol im Spiel und wirke enthemmend auf die Schläger, meint der Polizist. Ein in der Bundesrepublik einzigartiges Projekt, will jetzt in Bremen Licht in die Grauzone der häuslichen Beziehungsprügelei bringen und Männern und Frauen Hilfen anbieten. Bei einer Anzeige wegen Körperletzung gegen den schlagenden Mann kann die Staatsanwaltschaft eine Strafverfolgung bis zu neun Monaten aussetzen. Allerdings muß der Schläger an einen sozialen Trainigskurs teilnehmen. In 32 Sitzungen zu zwei Stunden soll der Schläger in der Gruppe unter Anleitung lernen, Konflikte anders zu lösen, als durch Prügel. Ein Besuch des Trainingskurses wirkt sich in jedem Fall strafmildernd aus. Ob überhaupt eine Strafe eingefordert wird, liegt im Ermessen der Staatsanwaltschaft.

„Wir stechen mit unserem Versuch in ein Wespennest“, vermutet Ulrike Hauffe, Landesfrauenbeauftragte in Bremen, die Initiatorin des Modellversuches. Mit einer einmaligen Spende eines unerkannt bleiben wollenden Sponsors hat der Versuch jetzt begonnen. „Unser Interesse ist es, die Spirale der Gewalt gleich an ihrem Beginn zu knacken.“Deswegen weisen jetzt Plakate in Bremen West und Postkarten in Supermärkten auf den Modellversuch hin. Zwei Telefonnummern werden angeboten, bei denen sowohl Frauen als auch Männer Hilfe nach häuslichen Prügeleien abfragen können. In der Regel schließt sich dann für Frauen und Männer getrennt eine Beratung oder ein Kurs für die gewaltfreie Lösung ihrer Probleme an.

Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe geht davon aus, daß sich schlagende Männer und geschlagene Frauen auch ohne Anzeige an das Beratungstelefon wenden. „Aber sicher werden uns durch die Polizei mehr Hilfesuchende zugeführt als durch die Plakate und Postkarten,“meint Elke Baumann, Pädagogin und Leiterin des Projektes. Sie ist für die Beratung und Gruppengespräche mit Frauen zuständig. „Oft verfestigt sich das Rollenmverhalten in einer gewalttätigen Beziehung so, daß Frauen Schläge für „normal“halten und sich nicht mehr dagegen wehren“, meint Elke Baumann. Deswegen wird auch die Polizei geschlagene Frauen auf das neue Hilfsangebot hinweisen. Mit dem Einverständniß der Frauen wird sofort nach der Tat ein Kontakt zum Projektteam hergestellt. Vorraussetzung ist, daß die Polizei bei einer Prügelei zu Hilfe gerufen wurde.

„Uns fehlt ein statistisch verbindlicher Wert für die Anzahl von geschlagenen Frauen“, sagt Polizist Zottmann. „10 bis 12mal im Monat wird die Polizei zu familiären Konflikten gerufen, das heißt aber nicht, daß wir in jedem Fall auch Anzeige erstatten können.“

Wenn es gekracht hat und die Gewalt durch eine Anzeige öffentlich geworden ist, sind alle Beteiligten, von Polizei bis Sozialbehörden bis hin zu den Tätern und Opfern, oft hilflos. „Bislang gab es, wenn überhaupt, nur Knast für den schlagenden Mann und Frauenhaus für die Frau“, meint Ulrike Hauffe. Diese Möglichkeiten bleiben auch weiter bestehen. Zur Deeskalation zuhause trage das neue Angebot bei, indem es Wege zur Verhaltensänderung aufzeige, so Hauffe.

Thomas Schumacher