„Er hat zu gut gearbeitet“

■ ...deshalb bekam der AFP-Korrespondent in Algerien ein Berufsverbot. Repressalien für Journalisten sind an der Tagesordnung

Berlin (taz) – Wer bei Algeriens Regierung einmal in Ungnade fiel, für den ist der Rest nur noch Routine. Das mußte einer der vier Journalisten des Büros der Agentur AFP in Algier erfahren. Am Donnerstag wurde er in das Außenministerium vorgeladen, am Montag seine Akkreditierung eingezogen. Auf eine Begründung für sein Berufsverbot wartet der Algerier vergebens. Seinen Namen verschweigt die Zentrale der französischen Nachrichtenagentur aus Sicherheitsgründen. Man arbeitet dort mit Ausnahme des Büroleiters nur noch mit einheimischen Kräften, seitdem französische Bürger von bewaffneten Islamisten zum Anschlagsziel erkoren wurden.

„Er hat zu gut gearbeitet“, vermutet AFP-Informationschef Ivan Chemla. AFP war vor allem bei den Massakern der letzten Wochen, die alleine seit Juli 2.000 Menschen das Leben kosteten, immer wieder schnell vor Ort. Was die Reporter und Fotografen danach in alle Welt verschickten, gefiel den Generälen um Präsident Liamnie Zeroaul offenbar nicht. Denn deren Augenzeugenberichte belegten: Es gab viel mehr Opfer als offiziell bekanntgegeben, und die Soldaten nahe gelegener Kasernen schauten immer wieder tatenlos zu, wie die Täter – vermutlich Kommandos der Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA) – wehrlose Zivilisten zu Hunderten abschlachteten.

AFP-Generaldirektor Jean Miot sieht im Vorgehen der algerischen Regierung „einen nicht zu tolerierenden Angriff auf die freie Berufsausübung“. Von den Behörden bekam er nur zu hören: „AFP wurde mehrmals verwarnt und ist rückfällig geworden.“ Berichte über Anschläge sowie Militäroperationen unterliegen in Algerien „als sicherheitsrelevante Themen“ der Zensur.

In der Vergangenheit hatte Algeriens Regime immer wieder Journalisten ausländischer Medien ausgewiesen oder ihnen Berufsverbot erteilt. Im vergangenen Jahr traf es den Korrespondenten der spanischen Nachrichtenagentur EFE, Tahar Majdoub, und seinen Kollegen von der spanischen El Pais, Ferran Sales. Beide hatten seit Abbruch der Wahlen und dem Verbot der Islamischen Heilsfront (FIS) in Algier ausgeharrt. Bei Sales störte sich das Außenministerium offiziell daran, daß er auch aus Marokko berichtete. Inoffiziell heißt es in regierungsnahen Kreisen, der kritische Journalist sei Parteigänger der demokratischen Opposition und deswegen unerwünscht.

Einheimische Journalisten trifft es noch härter. Allein im letzten Jahr wurden 13 Journalisten festgenommen, fünf von ihnen wurden zu Haftstrafen verurteilt. Seit Ausbruch des Konflikts 1992 wurden 57 Journalisten ermordet. Die Regierung macht dafür die GIA verantwortlich. Bei den Attentaten auf einige besonders kritische Journalisten wird allerdings auch eine Beteiligung der Geheimdienste nicht ausgeschlossen. Dutzende von algerischen Journalisten leben heute im Exil. Reiner Wandler