Der Krake schüttelt sich

■ WAZ-Konzern hat Ärger in Bulgarien - und will nun gegen den Vertriebsboykott vorgehen

Erich Schumann klingt keineswegs beunruhigt: „Wir müssen feststellen“, sagt der Geschäftsführer des Essener WAZ-Konzerns (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) nüchtern, daß einige der bulgarischen Vertriebsgesellschaften „versuchen, uns unter Druck zu setzen“. Seit Montag boykottiert zumindest ein Teil der Zeitungsausträger in Bulgarien die beiden größten Tageszeitungen: 24 Tschassa mit einer Auflage von 250.000 Exemplaren und Trud mit 300.000 Exemplaren gehören beide mehrheitlich dem Essener Großverlag. Die Vormachtstellung der WAZ-eigenen Publikationen in Bulgarien mit geschätzten 80 Prozent Marktanteil ist schon seit Monaten heftig umstritten. Von einem „Blitzkrieg“ auf dem Zeitungsmarkt war bereits die Rede, mit dem sich die Essener Verleger ein Monopol wie im Kommunismus aufgebaut hätten (taz vom 12.5.).

Indes geht es in dem jetzt ausgebrochenen Konflikt zunächst nicht in erster Linie um Meinungsmacht, sondern um eine wirtschaftliche Frage: Mit dem Verlag 168 Tschassa übernahm die WAZ indirekt auch die Vertriebsgesellschaft Strela. Diese beauftragt teilweise ihrerseits wieder Vertreiber, die die Zeitungen zu Kiosken bringen und in Briefkästen stecken. Den Austrägern sollten die Rabatte gekürzt werden – laut WAZ-Chef Schumann aus Kostengründen. Dies war der Anlaß für den Streik. Doch die Vertreiber werfen der WAZ auch vor, für die Strela eine Monopolstellung durchsetzen zu wollen.

Das, bestätigt ein Branchenkenner aus Bulgarien, würde ins Konzept der Essener Verleger passen: mehrere Zeitungen, aber Vertrieb, Anzeigen und Werbung nur aus einer Hand. Für eine solche Strategie ist der Konzern auf den in- und ausländischen Märkten, auf denen er agiert, berüchtigt: Ob in NRW und Thüringen oder in Österreich geht der Konzern derart vor – bis an die Grenzen des Kartellrechts, mit dem er regelmäßig in Konflikt gerät.

Die kleinen, WAZ-unabhängigen Zeitungen, organisiert im Verband der Zeitungsherausgeber, haben den Boykott nun offenbar als Chance erkannt, die politische Auseinandersetzung um die Macht der WAZ wieder anzuschieben. Ein Sprecher des Verbandes forderte „eine politische Lösung“ des Problems mit der WAZ. Möglicherweise rechnet man sich auch Chancen aus, weil das Blatt der nichtkommunistischen Regierungspartei zu dem Verband zählt.

WAZ-Chef Schumann findet es „ungewöhnlich, daß sich der Verband einmischt“. Schließlich müsse die Vereinigung doch daran interessiert sein, daß die Leser ihre Zeitungen bekämen, „das hat auch mit Pressefreiheit zu tun“. Genau die sehen Kritiker bedroht, falls die WAZ auch ihre Stellung in Bulgarien ausbaut: „Der Kampf gegen den Vertrieb wird kurz sein“, resignierte schon vor Monaten die Tageszeitung Novinar, „und dann, armer Bulgare, wirst du dir vorkommen wie in Baden-Baden, allerdings nicht ganz so. Du wirst denken, wie es dir deutsche Zeitungen befehlen.“

Der „Krake im Medienteich“, wie die Agentur dpa die WAZ einmal nannte, plant die Gegenoffensive. Er rechne damit, daß die „Lücken“ in den nächsten Tagen von anderen Vertreibern geschlossen werden könnten, kündigt Schumann an. Den bisherigen Vertreibern blieben dann ja immer noch die restlichen Blätter. Da die viel kleinere Auflagen als 24 Tschassa und Trud haben, hätten es die Austräger vermutlich sehr schwer, von ihnen zu leben. Von der Regierung brauchen sie sich nicht viel zu erhoffen, die politische Ebene sei gesichert, sagt der Branchenkenner: „Es gibt viele Zusicherungen, daß man den Investor nicht verärgern will.“ Georg Löwisch