Stammeskönige im Aufstand

Im Osten des Kongo erzielen Rebellen Erfolge gegen Kabila, angetrieben vom Unmut gegen die Tutsi und unterstützt von Würdenträgern des alten Mobutu-Regimes  ■ Von Werner Finkenthal

Berlin (taz) – Eine neue Rebellion im Osten Kongos gegen Laurent Kabilas regierende Allianz Demokratischer Kräfte für die Befreiung des Kongo (AFDL) breitet sich aus, offenbar mit der Unterstützung großer Teile der örtlichen Bevölkerung. Die Stadt Bukavu an der Grenze zu Ruanda ist praktisch von den örtlichen Mayi-Mayi- Stammesmilizen „Katuku“ eingekesselt und wäre schon gefallen, hätte Ruandas Armee nicht interveniert. Ruandas Militär hat Artillerie rund um Bukavu in Stellung gebracht; die Geschütze sind auf die Stadt gerichtet. Die kongolesischen AFDL-Truppen schlagen sich auf die Seite der Rebellen oder fliehen.

Ziel der Rebellen ist, die ostkongolesische Kivu-Region von der „Tutsi-Herrschaft“ befreien. Zu den lokalen Milizen (Mayi- Mayi) der Shi- und Bembe-Völker, die sich unter der Dominanz der Tutsi in der AFDL benachteiligt fühlen, haben sich daher auch ruandische Hutu-Milizen gesellt, die 1994 den Genozid an den Tutsi in Ruanda verübten.

Es ist nicht verwunderlich, daß der erste größere Aufstand gegen die AFDL in der Region stattfindet, in der diese vor einem Jahr ihren Kampf gegen Mobutu begann. Länger als anderswo haben die Menschen hier beobachten können, wie die AFDL ihre Machtstruktur aufbaut. Entscheidend ist, daß die Shi-Ethnie – die vorherrschende Volksgruppe in der Provinz Südkivu um Bukavu – den Tutsi die traditionelle Freundschaft aufgekündigt hat; ihre Milizen haben sich mit denen der Bembe verbündet, die seit jeher in Feindschaft zu den Banyamulenge-Tutsi leben. AFDL-Truppen haben traditionelle Dorf- und Distriktchefs durch Tutsi ersetzt und die traditionellen Mwamis (Könige) gezielt erniedrigt – so wurden die heiligen Gewänder des Mwami Ndatabay seinen Kühen übergezogen. Die AFDL geht gegen die Könige vor, weil sie Bestandteil der Machtstruktur des Mobutu-Regimes waren – aber unter den Mwamis gab es auch eine aktive Beteiligung an den Demokratisierungsbewegungen gegen Mobutu. So hält die Bevölkerung zu den Mwamis.

Die Mwamis fingen nach Kriegsbeginn an, sich vor der AFDL zu verstecken. Der ursprüngliche König dieser Gegend, Mwami Kabare, hielt sich für insgesamt sechs Monate versteckt. Dies führte zu politischen Spannungen: Kabares Anhänger traten an die AFDL heran und sagten, sie könnten kein Vertrauen in die neue Regierung haben, solange ihr König sich verstecken muß.

Die AFDL gab den Königen daraufhin Garantien, und sie tauchten aus dem Untergrund wieder auf. Inzwischen ist aber der erste traditionelle König offiziell in die Rebellion eingetreten: Mwami Ntare Simba führt die sogenannte Simba-Rebellion an, ein Bestandteil der Allianz aus Mayi-Mayi- Gruppen, Hutu-Milizen und Mobutu-Soldaten. Der Bruder des Mwami organisiert die Rebellion von Kigoma aus, einer Stadt am Tanganjikasee in Tansania.

Während die AFDL die Kontrolle über eine ganze Region zu verlieren droht, nutzen Vertreter des gestürzten Mobutu-Regimes die Gunst der Stunde. Als Geldgeber der Rebellen gelten ehemalige Mobutu-Größen aus dem Kivu: Der ehemalige Premierminister Faustin Birindwa, der ehemalige Parlamentspräsident Anzuluni Bembe, der ehemalige Zentralbankchef Pay-Pay.

Zwar braucht man nicht viel Geld, um in dieser Gegend Krieg zu führen. Eine Granate kostet einen Dollar, soviel wie ein Bier. Um dauerhafte militärische Erfolge zu erzielen, ist jedoch auch eine zentrale Koordinierung und ein gesicherter Materialnachschub nötig. Hier könnten die Vertreter des ehemaligen Mobutu-Regimes eine entscheidende Rolle spielen.

Entscheidend wird auch die Reaktion von Präsident Laurent Kabila sein. Er weiß, daß er sich von den Tutsi emanzipieren muß, wenn er das Vertrauen der Bevölkerung von Südkivu gewinnen will. Dies würde jedoch den Konflikt mit Ruanda und Uganda bedeuten. Spannungen gibt es bereits, die überdies zeigen, daß es keine einheitlichen Fronten in der Region gibt: Ruanda betreibt offenbar die Schwächung von Burundis Tutsi- Militärherrscher Pierre Buyoya, mit dem Kabila kürzlich eine militärische Zusammenarbeit zur Grenzsicherung und zur Unterbindung der Aktivitäten der burundischen Rebellenbewegung CNDD auf kongolesischem Gebiet vereinbart hat.

Doch kürzlich fanden in Ruandas Hauptstadt Kigali erste Gespräche zwischen Ruandas Vizepräsident Paul Kagame und der CNDD statt. Unter ruandischem Schutz ist auch die Hauptgeldgeberin der CNDD, die burundische Hutu-Geschäftsfrau Madame Gulamali, nach Bukavu zurückgekehrt, das sie nach dem AFDL- Einmarsch im Oktober 1996 verlassen hatte. Das wirft die Frage auf, was Kabila in Bukavu überhaupt noch zu sagen hat.