Richtig böse ist in Leipzig niemand mehr

■ Dreieinhalb Jahre nach der Schneider-Pleite sind die Schäden in der am stärksten betroffenen ostdeutschen Stadt fast vergessen

Leipzig (taz) – In der sächsischen Metropole hat man die Schneiderschen „Peanuts“ gut verdaut. Und das, obwohl kaum eine Stadt so sehr wie Leipzig von der Milliardenpleite betroffen war: Hier lag der Schwerpunkt von Schneiders Ost-Engagement, seit 1990 hatte er insgesamt elf Grundstücke – die meisten in bester Citylage – gekauft. Im Rathaus war der Finanzjongleur ein gerngesehener Gast, etwa 300 Millionen Mark wollte er an der Pleiße investieren.

Als Schneider im April 1994 verschwand, hinterließ er in Leipzig offene Rechnungen in Millionenhöhe. 250 Firmen mit etwa 3.000 Arbeitsplätzen seien vom Konkurs bedroht, schätzte Oberbürgermeister Hinrich Lehmann- Grube (SPD) damals. Doch heute kann Werner Hain, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Leipzig, vermelden: „Uns ist keiner pleite gegangen. Auch Entlassungen gab es nicht.“

Sorgentelefone für in Not geratene Unternehmen wurden geschaltet und staatliche Aufträge bevorzugt an betroffene Handwerksbetriebe vergeben. Die sächsische Aufbaubank reichte 3,2 Millionen Mark zinsverbilligte Kredite aus, um Forderungsausfälle vorübergehend zu decken.

Bei der Dachdeckerfirma Elsner, der Schneider rund 1,5 Millionen Mark schuldig blieb, mußten die 278 Beschäftigten den Gürtel enger schnallen. „In der ersten Zeit haben wir alle Löhne und Gehälter zurückgestuft“, erklärt Geschäftsführer Rolf Geißler. Wenn die Angestellten das nicht akzeptiert hätten, wären Entlassungen unvermeidlich gewesen. „Heute wird nicht mehr über Schneider gesprochen, weil nach ihm noch viele kleine Schneiders kamen“, meint der IHK-Mann Hain sarkastisch.

So richtig böse ist dem Ex-Baulöwen in Leipzig niemand mehr. Die meisten seiner Immobilien glänzen heute genau so, wie es sich Schneider vorgestellt hatte: In der Mädler-Passage reiht sich Edel- Boutique an Edel-Boutique, das Luxus-Hotel „Fürstenhof“ öffnete im vergangenen Jahr unter der Regie der Kempinski-Kette.

Sogar aus dem Rathaus ist hinter vorgehaltener Hand Lob zu hören: Ohne Schneider würden viele der Bauten noch immer vor sich hingammeln, ein seriöser Rechner hätte sich niemals an die Projekte getraut. Doch als die Banken nach der Pleite die Baustellen übernahmen, war Weitermachen billiger als ein Rückzug. Ein Stadtmagazin schlug bereits vor, Dr. Jürgen Schneider zum Ehrenbürger von Leipzig zu ernennen. Toralf Staud