Deutschland has gotta die

■ Mit Atari Teenage Riot übernimmt der Rotzlöffel Alec Empire Punk als Modell, um es mit Monitormusik und politischer Agitation zu füllen

„Punk war die wichtigste Musikrichtung dieses Jahrhunderts.“Dieses Statement verteidigten all jene leidenschaftlich, die die Wogen englischen Krachs noch in den Ausläufern auf dem Kontinent erleben durften. Aus allen Bundesländern reisten sie 1979 in den Düsseldorfer Ratinger Hof, um den ersten Konzerten der Toten Hosen beizuwohnen, knöcheltief in Rindsaugen, Schweineblut und abgestandenem Bier zu stehen und dabei todesmutig Pogoschritte zu versuchen.

„Punk is dead“, schrien aber schon bald englische Punkmusiker, und mancher besiegelte seine Aussage mit dem Freitod. Jahre später, 1989, stellte Greil Marcus in Lipstick Traces den guten alten Punk in die Tradition kultureller Avantgardebewegungen wie Dada und Situationismus, die den Weg ins nächste Jahrtausend weisen sollten. Daß von der Idee Punk tatsächlich mehr herübergerettet wurde als das Modedesign von Vivienne Westwood, beweist heuer unter anderem Alec Empire.

Als Solist begann der Berliner, Punk mit elektronischer Musik zu verbinden und Acid eine Bombe unter den Hintern zu schieben. Genervt von der „No-Politics-On-The-Dancefloor“-Haltung, die den Höhepunkt bei der Loveparade fand, gründete er im Jahr 1992 zusammen mit Carl Crack und Hanin Elias die Band Atari Teenage Riot als musikalische Antwort auf die Anschläge in Rostock. Mit Titeln wie „Deutschland has gotta die“wird auf ihrer aktuellen CD The Future Of War der Nation der Kampf angesagt. So wird die Coverversion von „Kids are united“der Punkveteranen Sham 69 nicht im Gestus einer Oberstufen-Band präsentiert, sondern als Attitüde mit aktuellen politischen Energien ausgerüstet. Im Gegensatz zu den Vätern des Punk, die gelegentlich nicht allzu viel zu sagen hatten, nutzen Atari Teenage Riot das Potential dieser Musik zur politischen Agitation.

Sie sind aber nicht einfach nur ungezogene Rotzlöffel mit politischem Bewußtsein. Als Kenner von Monitormusik verweigert das Trio kompositorische Feinarbeit. Statt zu frickeln, klotzen sie lieber mit dicken, nervösen Beats. Ihr Motto – so sloganhaft es auch daherkommen mag – wird immer ein stinkefingerzeigendes „Fuck all“bleiben, das den Untergang des Abendlandes beschwört. Denn mit „Destroy 2000 Years Of Culture“, ein Songtitel von The Future Of War, gehen wir genüßlich dem Ende des Jahrtausends entgegen. So laut kann Fin-de-Siècle-Stimmung sein.

Claude Jansen mit Shizuo: Di, 7. Oktober, 21 Uhr, Große Freiheit