Folk-Rock für Schneidersitzer

■ „Del Amitri“spielten im Modernes unverbindliches Liedgut für begeisterte Fans

„Del Amitri“-Fans sind am glücklichsten, wenn das schottische Bandprojekt um Justin Currie und Iain Harvie zu akustischer Gitarre und Akkordeon möglichst melancholische Texte anstimmt. Hauptsache aber, sie stimmen überhaupt etwas an. Ganz erstaunlich war die Anzahl und die Begeisterungsfähigkeit der BesucherInnen, die am Dienstag das „Modernes“rappelvoll machten und dem Event eine Nominierung zum schwitzigsten Konzert des Herbstes sicherten. Als ginge es um die Wiedervereinigung von „Take That“, jubelte die Meute schon lange, bevor der erste Ton gespielt war. Dabei konnte man das Durchschnittsalter unter den BesucherInnen eines Boygroup-Konzertes locker verdoppeln, um auf das der „Del Amitri“-Fans zu kommen. Bärte und Zöpfe waren gut vertreten, der Schneidersitz erlebte ein Comeback, und über die dank vieler feuchtfröhlicher Konzertbesuche oft nicht mehr ganz waschbrettgleichen Bäuche wurden wieder die alten „Levellers“-T-Shirts und Flanellhemden gezogen.

Den Songwritern selbst ist das Folk-Rock-Ghetto zu eng. Für ihr letztes Album verordneten sie sich selbst den Verzicht auf akustische Gitarren und Songlängen, die die Drei-Minuten-Grenze überschreiten. Konsequent eingehalten haben sie es nicht, was zumindest in bezug auf die Instrumentierung ein weiser Entschluß war. Ihre Songs wirken ohne viel Klimbim am einprägsamsten und eigenständigsten. Beim exzellent gespielten und abgemischten Mid-Tempo-Pop der fünfköpfigen Band saß zwar jeder Ton an der dafür vorgesehenen Stelle, aber vom Gros ähnlicher Stücke ähnlicher Bands unterschied man sich wenig. Anflüge wahrer Größe waren immer dann zu hören, wenn die Musiker über den Ozean schauten. Pfiffig begannen sie ihr Konzert mit einem Country-Song, auch Bluesstrukturen und metalartige Gitarrensoli verliehen Würze, ohne die Suppe zu versalzen. Glücklicherweise waren die Schotten geizig genug, um große Gesten geschickt einzusetzen, anstatt ihre Songs damit zu überfrachten.

All das hatten sie gut einstudiert und spulten es vor dem Bremer Publikum zum x-ten Male ab. Ebenso routiniert wie die Musik der Aufbau des Sets. Hits wurden recht früh gespielt, die Hymnen für den Schluß aufgespart. Dann gab es sogar kurz die deutsche Nationalhymne, angespielt während eines Akkordeonsolos. Da Deutsche aber stets die Beklemmung packt, wenn ihr Lied gespielt wird, gönnte man dafür nur zaghaften Applaus und ein paar noch zaghaftere Buh-Rufe. Der Akkordeonspieler bezog den Unmut auf die Qualität seiner Darbietung und unterließ das Zwischenspiel fürderhin.

Immerhin wußten „Del Amitri“, was in Deutschland abgeht. „Kraftwerk“und „Rammstein“(„tough stuff“) kannten sie. Da wunderten sie sich wohl nicht, daß einem Volk, das sonst tagein, tagaus ausgerechnet diese Bands hören muß, nach lockerem Pop-Handwerk dürstete.

Andreas Neuenkirchen