What's hot, what's not
: Bilanzen und Zusammenhänge

■ Vom Niederen zum Höheren: Geschmack in und um Hollywood

Bilanzieren ist gefährlich. Es könnte einem ja aufgehen, daß man es nicht allzu weit gebracht, Omas Weihnachtsgeld schon verjubelt und auch nichts gelernt hat, außer einen Sektkelch zierlich zu halten und interessant zu schweigen. Aus diesem Grund sollte zwanzigjährige Klassentreffen sowie besinnliche Urlaube meiden, wer nicht gerade Filmstar, Erbe oder Wiener ist. (Merke, Leser: Wiener werden, so will es die Evolution, zwangsläufig Chefredakteure bei wichtigen deutschen Zentralorganen, auch wenn sie es vielleicht gar nicht wollen.)

Das Magazin Premiere erscheint in den USA, in England und Frankreich, ist das wichtigste Kinozentralorgan und feiert derzeit fröhlich und bei bester Gesundheit seinen zehnten Geburtstag. Prima Anlaß für ein bißchen Hybris. Denn hat man nicht aus kleinen Sternchen große Stars gemacht und, umgekehrt, durch bloßes Scharren mit dem Hausschuh aus großen Stars kleine Lichter? 1987 durfte Jodie Foster eine halbe Million Dollar pro Film einstreichen, heute sind es 11 Millionen, und dazu kamen drei Premiere-Titelfotos. Bei Demi Moore stehen 800 Dollar Anfängergehalt gegen 13 unverdiente Millionen (für „G.I. Jane“). Tom Cruise verdiente 1987 um die 1,7 Millionen Dollar pro Film; heute sind es 20 Millionen, und Tom Hanks steht als Sieger in allen Klassen da: die meisten Oscars (zwei), die höchsten Einspielergebnisse (1,3 Billionen Dollar).

Wozu diese Zahlen, werden Sie sich fragen. Nun, der aktuelle Spiegel („Die Reichen reicher, die Armen ärmer“) wirkte anregend. Jawohl, auch große Stars haben einmal klein angefangen! Nur leider nicht ganz so klein wie Sie und ich. (Kürzlich wurde der taz-Geschäftsführung der Vorschlag gemacht, beim Pferderennen zu wetten, um die taz-Finanzen zu vergolden!)

Doch geht es der Filmbranche beim Rückblicken – wie der taz beim Vorblicken – nicht etwa nur ums Geld! „Große Filme, epochale Filme“, so schreibt Premiere, „sind solche, die eine Änderung bewirken, während sie einen Augenblick festhalten.“

Wohl war – allein, nichts als schöne Worte! Epochales, Episches und Preise scheinen nämlich, was Hollywood anlangt, unselig zusammenzuhängen. Man setze nur einmal etliche für den Oscar nominierte Filme und deren Länge ins Verhältnis. „Der englische Patient“ ist 162 Minuten lang, wurde für 11 Oscars nominiert und gewann 9. „Braveheart“ brachte es auf 177 Minuten, 10 Nominierungen und 5 Oscars. „Der mit dem Wolf tanzt“ war satte 181 Minuten lang, erhielt 10 Nominierungen und 7 von diesen komischen goldenen Briefbeschwerern. Was das soll? Derjenige Mathematiker unter allen Lesern, der daraus die zuverlässigste taz-Abo-Wahrscheinlichkeitsrechnung aufmacht, gewinnt eine Kinokarte.

Leser, wo waren Sie vor zehn Jahren? Schon Abonnent? Und vor allem: Können Sie mit den hier folgenden Aussagen konkurrieren? „Vor zehn Jahren war ich neun und machte gerade meine vegetarische Phase durch, weil mein Bruder mir gerade erklärt hatte, woher die Lammkoteletts kommen.“ (Batgirl Alicia Silverstone) „Ich hatte gerade ,Ishtar‘ abgedreht und bereitete mich auf ,Dick Tracy‘ vor.“ (Warren Beatty) Robert Altman hat „vor zehn Jahren dasselbe gemacht wie heute“. Am besten gefällt mir James Garner: „Vor zehn Jahren... Keine Ahnung. Ich weiß nicht mal mehr, was ich zum Frühstück gegessen habe.“ So ist es nämlich ein bißchen auch bei der taz. Anke Westphal