Studentendemos im Kosovo

■ Junge Albaner fordern von den serbischen Behörden die Rückgabe der Schulen und Unis. Sie wollen in ihrer Sprache unterrichtet werden

Priština (taz) – Tausende schwerbewaffnete serbische Polizisten mit kugelsicheren Westen und Helmen blockieren die Straßen von Priština. Dröhnend kreisen Hubschrauber über der Stadt. Von dem Hügel Velanija zieht eine Kolonne von Studenten ins Zentrum der Stadt. Still warten Albaner am Straßenrand. Mit quietschenden Reifen und laut hupend rast ein Auto mit einem riesigem Foto des serbischen nationalistischen Radikalenführers Vojislav Šešelj vorbei.

Dann gehen die serbischen Polizisten gegen die rund 20.000 Demonstranten vor. Mit Schlagstöcken und unter Einsatz von Tränengas lösen sie die Kundgebung gewaltsam auf. Mehrere Studenten werden festgenommen.

Die albanischen Studenten des Kosovo haben die Geduld verloren. Sie haben es satt, in Privatwohnungen auf dem Boden sitzend an der alternativen albanischen Universität zu studieren, verlangen ihre Schulen zurück, fordern Unterricht in ihrer Muttersprache. Weder die Warnungen der internationalen Staatengemeinschaft noch der führenden albanischen Partei LDK konnten sie vom Protest abhalten.

Rund 400.000 junge Kosovo-Albaner besuchen seit langem Schulen und Universitäten, deren Abschlüsse in Belgrad nicht anerkannt werden. Kosovo liegt im Süden Serbiens. Die Albaner stellen rund 90 Prozent der rund zwei Millionen Einwohner der Region, deren Autonomiestatus 1989 von Belgrad aberkannt wurde.

„Die Demonstration der Studenten kommt verfrüht. Sie ist mit anderen politischen Kräften der Kosovo-Albaner nicht koordiniert“, sagt der Präsident des Verbandes albanischer Lehrer, Rexhep Osmani. Die Albaner bräuchten mehr Zeit, um einen Protest der gesamten albanischen Bevölkerung zu organisieren. Osmani befürchtet, der isolierte Studentenprotest könnte verpuffen und den Serben Anlaß für ungezügelte Gewalttätigkeit bieten.

Seit einer Woche verletzen Tausende Studenten ein Tabu: Jeden Abend spazieren sie in der zentralen Vidovdanska-Straße in Priština, die sonst nach einem ungeschriebenen Gesetz den Serben vorbehalten war. Als Reaktion lassen die serbischen Behörden abends Autos durch die Fußgängerzone fahren. „Wir wollen und können nicht mit der serbischen Polizei kämpfen. Wir wollen die Staatengemeinschaft auf uns aufmerksam machen“, sagt eine 20jährige Jura-Studentin.

Der Erfolg der serbischen Radikalen Partei von Šešelj bei den serbischen Parlamentswahlen nimmt den Kosovo-Albanern jede Hoffnung, daß es zu einem Kompromiß mit Belgrad kommen könnte. Die albanische Führung um den Dichter Ibrahim Rugowa bemüht sich zwar, jeden Anschein von möglicher Gewalttätigkeit zu vermeiden. Aber sie befürchtet nun, daß der wiederaufflammende serbische Nationalismus eine radikale Gegenreaktion unter den Albanern auslösen könnte. Andrej Ivanji