Regierungskrise in Italien

■ Neokommunisten stützen Prodi nicht mehr. Neuwahlen im Dezember wahrscheinlich

Rom (taz) – Italiens Regierung ist am Ende: Mit einem unbeugsamen „No“ zum eben vom Kabinett beschlossenen Haushaltsfinanzierungsgesetz hat die in der linksliberalen Koalition, nicht aber im Kabinett sitzende Rifondazione Comunista Mittwoch nacht Ministerpräsident Romano Prodi die Gefolgschaft aufgekündigt. Die Haushaltsansätze seien so arbeiterfeindlich, daß laut Neokommunistenchef Fausto Bertinotti „nicht einmal Zusatzanträge mehr etwas helfen könnten“. Dabei hatten die großen Gewerkschaftsverbände weitgehendes Einverständnis mit der Regierung über das Gesetz erzielt. Auch unabhängige Fachleute fanden es nicht so arbeitnehmerfeindlich. Doch Rifondazione Comunista will die Regierungskrise offenbar mit allen Mitteln.

Hauptgrund für den Rückzug der Linken sind ihre derzeit günstigen Umfrageergebnisse, die sie über zwölf Prozent sehen statt der knapp neun bei den Wahlen 1996. Auch möchten die Neokommunisten die sechsmonatige Arbeit der „Bicamerale“ zur Makulatur machen, jener Parlamentskommission zur Verfassungsreform, die ein Präsidialsystem nach französischem Vorbild vorsieht und kleinere Parteien unter das Dach zweier großer Pole zwingen würde.

Nach Ansicht von Massimo D'Alema, Vorsitzender der Demokratischen Partei der Linken und der stärksten Fraktion in der Koalition, sind Neuwahlen unvermeidlich. Man werde keine „Feuerwehreinsätze der Opposition erbitten“, um das Finanzierungsgesetz zu retten, und werde notfalls auch die Verfassungsreform nach den Wahlen erneut in Angriff nehmen. Unangenehm wäre ein Neuanfang D'Alema nicht. Schließlich war das Präsidialsystem gegen seine Fraktion in der Kommission verabschiedet worden.

Neuwahlen würden die Opposition zu einem ungünstigen Zeitpunkt treffen: Seit Monaten demontieren nicht nur die anderen Rechtsparteien den Oppositionsführer und früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Auch in seinem eigenen Lager denken viele über Alternativen zu dem längst verbrauchten und in Korruptionsprozesse verwickelten Medienunternehmer nach. Erst vergangene Woche hat sich der frühere Staatspräsident Francesco Cossiga, 76, als neuer Führer eines Rechtspools ins Gespräch gebracht. Doch in nur drei Monaten einen neuen Kandidaten zu küren, wo Ministerpräsident Romano Prodi in Umfragen um 60 Prozent rangiert, dürfte sehr schwer sein.

Prodi könnte über die Regierungskrise und Neuwahlen froh sein: Nur wenn jetzt vor einer Verabschiedung der Verfassungsreform gewählt würde, kann er, der keiner Partei angehört, sich noch mal als Spitzendkandidat der „Olivenbaumallianz“ ums Amt des Regierungschefs bewerben.

Auf der Strecke bliebe wohl Italiens Eintritt in die Währungsunion. Ein Absturz der derzeit harten Lira ließe das Land sämtliche Maastricht-Kriterien verfehlen. Das will auch Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro vermeiden. Möglicherweise wird er Prodi, wenn dieser seinen Rücktritt anbietet, ins Parlament zu einer Vertrauensabstimmung zurückschicken, bei der es dann doch zu der „Feuerwehraktion“ kommen könnte. Klappt auch die Rettung durch Scalfaro nicht, werden Neuwahlen im Dezember unvermeidlich sein. Werner Raith