Alternativen für den Planeten

In Stockholm wurden gestern die alternativen Nobelpreise vergeben. Geehrt werden fünf exzellente WissenschaftlerInnen, die mit ihren Antworten auf die ökologischen und sozialen Fragen auch Politik machen.

Humane Wissenschaft ist Politik. Mit dieser neuen Botschaft geht die Right Livelihood Foundation, die den alternativen Nobelpreis verleiht, in diesem Jahr an die Öffentlichkeit. Geehrt hat die Auswahljury diesmal nicht Wissenschaflerinnen und Wissenschafler, die nur praktische Antworten auf die ökologischen und sozialen Herausforderungen anzubieten haben, sondern vor allem diejenigen, die es zudem exzellent verstanden, mit diesen Antworten selbst Politik zu machen.

Dafür hat sich der Greifswalder Biologe Michael Succow den Preis verdient. Der 56jährige Succow hatte 1990 in einem Husarenstreich buchstäblich Minuten vor dem Ende der DDR fünf Nationalparks und sechs Biosphärenreservate im Osten Deutschlands durchgesetzt, die den Naturschutz dort international vorbildlich machen (siehe Interview). Auch die Amerikanerin Cindy Duehring versteht es vortrefflich, mit Informationen Politik zu machen. Duehring bekommt ihren Anteil an den 400.000 Mark Preisgeld für den Aufbau des international wirksamen Forschungsnetzwerks für Chemikalienopfer EARN. Vor zwölf Jahren hatte die damals 23jährige Chemiestudentin eine schwere Vergiftung erlitten, als sie Pestizide gegen Flöhe in ihrer eigenen Wohnung einsetzte. Duehring ist seither immungeschwächt und kann sich deshalb nicht frei bewegen. Genau das nutzte die agile 35jährige aber, um vom heimischen Computer aus ein internationales Forschungsnetzwerk aufzubauen.

Mit dem 75jährigen Historiker Joseph Ki-Zerbo aus Burkina Faso wird ein Streiter für mehr Demokratie in Afrika ausgezeichnet. In Deutschland bekannt als Autor des Standardwerks „Geschichte Schwarzafrikas“, kehrte Ki-Zerbo 1992 nach fast zehn Jahren Exil in sein Heimatland zurück und trat aktiv in die Politik ein. Als Führer der oppositionellen „Partei für Demokratie und Fortschritt“ (PDP) im Parlament gilt er heute als wichtigste Oppositionsfigur im Land. Dieses Jahr trat er hervor mit scharfer Kritik an der Abhaltung der Parlamentswahlen in Burkina Faso, bei denen es keine unabhängige Wahlkommission gab und bei der die Regierungspartei einen überwältigenden und umstrittenen Sieg davontrug. Die Right Livelihood Foundation würdigt ihn für „ein Lebenswerk von Gelehrsamkeit und Aktivismus“, der nach angepaßten Entwicklungsszenarien für seine Heimat suche.

Vor allem aber trifft diese Charakterisierung den Deutschen Mycle Schneider und den Japaner Jinzaburo Takagi, die seit zehn Jahren die weltweiten Gefahren der Plutoniumwirtschaft zum Thema einer strategisch angelegten politischen und wissenschaftlichen Kampagne gemacht haben.

Der 38jährige Schneider hat in Paris den einflußreichen Weltinformationsdienst Energie WISE mitgegründet, als taz-Autor auf die Gefahren der Plutoniumwirtschaft aufmerksam gemacht, aber auch in Vorträgen vor dem US-Senat für die weltweite Einschränkung der Plutoniumwirtschaft geworben.

Schneider strebt nicht nur raus aus dem Elfenbeinturm, sondern auch aus der Müsli-Ecke: „Man muß in jede Art von Struktur hineinwirken, wenn es nur Erfolg verspricht“, sagte der Preisträger gestern. „Wenn es nützlich scheint, mit Parlamentariern zu diskutieren, macht man das. Wenn ein Zeitungsartikel erforderlich ist, schreiben wir den, und wenn eine Studie fürs Ministerium mehr verspricht, schreiben wir eine Studie. Ideologische Scheuklappen darf man nicht haben.“

Mit dieser Strategie versuchen Schneider und Takagi seit Jahren, die wachsenden Plutoniumberge der zivilen Atomindustrie zum Thema zu machen. „Wir waren im Weißen Haus und haben mit Präsidentenberater Frank von Hippel über die Idee gesprochen.“ Schneider sprach vor den US-Kongreß und schreibt auch schon mal eine Studie für Greenpeace. Die Idee, die das Duo verfolgt, ist ebenso bestechend wie ketzerisch. Wenn man die zivile Plutoniumindustrie stoppen will, muß man ihr etwas zu tun geben. Schneider schlägt vor, der französischen Atomindustrie, der Cogema, den Auftrag zu geben, die Plutoniumberge des Kalten Krieges unschädlich zu machen. „Die Amerikaner verfolgen ganz oft ein Politik nach dem Motto: eine Hand wäscht die andere. Wieso sollen die Amerikaner Cogema nicht den Auftrag geben, wenn die Franzosen dafür auf die weitere Produktion zivilen Plutoniums aus der Wiederaufarbeitung verzichten.“

Allein im Jahr 1996 sei der Plutoniumberg in der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague um 10 Tonnen gewachsen. Und mit der Abschaltung des Schnellen Brüters Superphoenix lägen in Frankreich weiter sechs Tonnen Plutonium herum, für die es keine Verwendung gebe. Das dürfe nicht so weitergehen.

Die Jury des alternativen Nobelpreises ehrt Schneider und Takagi denn auch explizit für „die Effektivität, mit der sie ihre Informationen in die Öffentlichkeit gebracht und damit die Welt alarmiert haben“. Das Alarmieren allein würde Mycle Schneider nicht reichen. Hermann-Josef Tenhagen, Berlin