Israel läßt Hamas-Gründer frei

Im Hubschrauber nach Jordanien abgeschoben. Was als positives Zeichen verkauft wurde, war ein normaler Gefangenentausch gegen zwei Mossad-Agenten  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Lange dürfte das diplomatische Versteckspiel nicht halten. Offiziell lautet die israelische Version, Scheich Ahmed Yassin, geistiger Mentor von Hamas, sei auf Ersuchen König Husseins von Jordanien freigelassen worden. Dieser hatte am Dienstag in einer öffentlichen Erklärung Israels Ministerpräsidenten Netanjahu aufgefordert, ein „positives Zeichen“ für den Friedensprozeß zu setzen. Prompt wie selten zuvor war Netanjahu gestern der königlichen Bitte nachgekommen. In einem jordanischen Hubschrauber wurde Scheich Yassin im Morgengrauen nach Amman geflogen. Es war eine anonyme palästinensische Quelle, die sogleich den Verdacht ausstreute, es handele sich bei der plötzlichen und überraschenden Freilassung des Scheichs um einen „Gefangenenaustausch“.

In der Tat spricht einiges dafür. Hintergrund der Geschichte ist ein Angriff auf den politischen Führer von Hamas in Amman, Khaled Meshal. Dieser war in der vergangenen Woche bei einem Streit mit zwei „kanadischen Touristen“ am Kopf verletzt worden. Während Hamas sofort von einem israelischen Anschlag sprach, dementierte Israel jede Beteiligung. Eine jordanische Untersuchung kam jedoch zu dem Ergebnis, daß Meshal, der zwei Tage bewußtlos war, einem Giftanschlag zum Opfer gefallen war. Die „kanadischen Touristen“ seien in Wirklichkeit israelische Staatsbürger, vermutlich sogar Mossad-Agenten. Die Untersuchungsergebnisse sollen König Hussein derart in Rage versetzt haben, daß er sich sofort telefonisch bei Netanjahu beschwerte und sich verbat, Jordanien zu einer „Basis des Terrorismus“ zu machen.

Schon die Weigerung von Netanjahus Sprecher, den Vorwurf zu kommentieren, wird allenthalben als ein indirektes Eingeständnis interpretiert. Bislang sind erst wenige Details durchgesickert. Nach Meldungen des israelischen Rundfunks ist die Freilassung des Scheichs bei einem Besuch von Infrastrukturminister Ariel Sharon und Kabinettssekretär Danny Naveh in Jordanien in der vergangenen Woche ausgehandelt worden. König Hussein soll am Sonntag sogar persönlich nach Jerusalem gekommen sein, um den Deal abzuschließen. Nach unbestätigten Berichten hat Israel sich sogar damit einverstanden erklärt, daß der Scheich in den Gaza-Streifen zurückkehren kann. Auch die israelische Armee habe auf die Freilassung des schwerkranken Scheichs gedrängt, damit dieser nicht in einem israelischen Gefängnis zum „Märtyrer“ werde. Sowohl Hamas als auch Arafats Kabinettssekretär, Ahmed Abdel-Rahman, verurteilten die Ausweisung des Scheichs nach Amman dennoch als „Deportation“ und forderten seine Rückkehr nach Gaza.

Es halten sich Gerüchte, wonach Netanjahu gegenüber König Hussein weitreichendere Zugeständnisse gemacht haben soll. Der König sagte jedenfalls bei der persönlichen Begrüßung von Scheich Yassin, die Freilassung sei nur ein erster positiver Schritt, dem weitere folgen müßten.