Halbgetunnelt, schmal und schnell

Großauftrag unter Dach und Fach: Blohm+Voss baut für eine griechische Reederei zwei raffinierte Schnellfähren – ein erster Erfolg der Werft im zivilen Schiffbau  ■ Von Christine Holch

Die Meerwasser-Entsalzungsanlage ist immer noch nicht verkauft. „Das war auch so eine schöne Idee“, sagt Herbert Oetting, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Neubauwerft Blohm und Voss. Im Baudock wird statt dessen gerade an einer Kriegsfregatte gearbeitet – ein Auftrag für die Türkei. Einer anderen nichtmilitärischen Entwicklung ist nun mehr Erfolg beschieden: Jetzt unterschrieb die griechische Reederei Royal Olympic Cruises den Auftrag für zwei schnelle Passagierfähren – mit Option auf eine dritte. „Der erste Teil der Anzahlung ist bereits erfolgt“, freute sich Oetting am Donnerstag. Die vorbereitenden Arbeiten hätten umgehend begonnen. Eine späte Anerkennung für den „Arbeitskreis alternative Fertigung“.

Die schnelle Fähre ist ein Schiff neuen Typs: Der Bug ist extrem schmal, das Heck „halbgetunnelt“, dort haben gleich zwei Propeller Platz. Sie bringen die Fähre auf eine Geschwindigkeit von bis zu 30 Knoten, trotzdem verbraucht sie 25 Prozent weniger Energie als herkömmliche Fähren. Und sie liegt auch bei hohem Seegang gut im Wasser, im Unterschied zu Katamaran-Fähren. Mit dem neuen Typ hat die Werft im internationalen Wettbewerb die Nase vorn; man spricht von einem Vorsprung von drei Jahren. Reichlich Arbeit also, mindestens bis Ende 2001. Rund 1.300 Leute arbeiten derzeit noch auf der Neubauwerft, die neben der Reparaturwerft und dem Maschinenbau einer der drei eigenständigen Betriebe innerhalb von Blohm + Voss ist. Bis zum Jahresende werden 300 nach der alten Vorruhestandsregelung in Rente gehen.

Der Neubauauftrag stärkt das zivile Standbein der Werft. Bisher beschränkte sich die Zivilproduktion auf große Luxusyachten. Zu mindestens 50 Prozent sind die Arbeiter und Ingenieure mit dem Bau von Kriegsschiffen beschäftigt. Zwei Drittel dieser Aufträge kommen aus dem Ausland, vorwiegend aus der Türkei und Griechenland.

Die Betriebsräte finden den Militärschiffbau nicht nur aus ideologischen Gründen problematisch, sondern auch, weil die Aufträge stark schwanken. Deshalb denkt der „Arbeitskreis alternative Fertigung“seit 15 Jahren über zivile Produkte nach. Zum Beispiel über flache Schiffe, die in nicht ausgebaggerte Flüsse hineinfahren könnten. Oder über schwimmende Hafenanlagen, gedacht für Dritte-Welt-Länder mit wenig Infrastruktur. Verkaufen lassen sich diese Entwicklungen nicht.

Den Mißerfolg lasten die Betriebsräte auch der mangelnden Unterstützung durch die früheren Geschäftsleitungen an. Für die waren Schiffe mit Zusatzantrieb nur „Windeier“; sie forderten den Nachweis eines Marktes. Erst vor rund drei Jahren sei die Stimmung im Management umgeschwenkt, erzählt Betriebsrat Oetting.

Gerade noch rechtzeitig, denn nur mit hochtechnischen zivilen Produkten haben deutsche Werften eine Chance im Wettbewerb mit Niedriglohnländern, sagt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Heiner Heseler. Längst können Südkorea und andere asiatische Länder einfache Frachter und Containerschiffe zusammenschweißen, und das weit billiger. Einen lukrativen Markt für europäische Werften sieht Heseler dagegen im ausrüstungsintensiven und komplizierten Bau von Luxuskreuzfahrern oder eben schnellen Schiffen.

Dafür bedarf es nicht nur ausgebildeter Werker, sondern auch der Kunst der Ingenieure. Deren Anteil ist bei Blohm + Voss nach den letzten Rationalisierungen besonders hoch: Auf jeden Werker kommt ein Ingenieur. „Ein Unikat unter den Werften“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Otto Tetau.

Um den Auftrag überhaupt zu bekommen, hat die Werft ihre Kosten in den vergangenen zwei Jahren um 30 Prozent gesenkt, etwa durch Stellenabbau und Arbeitsverdichtung. Bummelzeiten gibt es nicht mehr, gearbeitet wird nur noch, wenn ein Auftrag da ist.

Ist die Werft also wieder wettbewerbsfähig auf dem internationalen Markt? „Das sowieso“, sagt Betriebsrat Oetting selbstbewußt, „die geringeren Löhne der ausländischen Werften sind nicht unser Hauptproblem.“Größere Sorgen machen die ungleichen Rahmenbedingungen: Außereuropäische Staaten schießen ihren Werften bis zu dreißig Prozent der Kosten zu. In der EU sind neun pro Schiff erlaubt, in Deutschland zahlen Bund und Länder sieben Prozent.

Nichts wünschen sich deutsche Werften mehr als ein weltweites Subventionsverbot. Ein entsprechendes OECD-Abkommen sollte eigentlich 1998 in Kraft treten. Doch die USA verweigern ihre Unterschrift. Der Grund: Ihre Militärwerften bekommen immer weniger Aufträge für U-Boote und Fregatten; sie sind nicht mehr ausgelastet. Jetzt wollen auch sie umrüsten auf zivilen Schiffbau. Dafür brauchen sie staatliches Geld, viel Geld.