Bremer Maklerfirma schürt Arbeitskampf

■ Russische Seeleute kämpfen weiter gegen Hungerlohn / Mittwoch mündliche Verhandlung vor Bremer Arbeitsgericht / Neue Besatzung nach Bremen unterwegs

Eine dunkle Rolle im Arbeitskampf der Besatzung des russichen Frachters Kemerovo spielt die Bremer Maklerfirma Gebrüder Specht. Nachdem sie gegenüber der taz verleugnet hatte, Agentin der russischen Reederei zu sein, gab Erich Chorssen, ein Mitarbeiter der Firma Gebrüder Specht, am Donnerstag vor dem Arbeitsgericht eine eidesstattliche Erklärung ab, er, Chorssen, vertrete die Interessen der Reederei. Chorssen hatte schon am Dienstag Kündigungsdrohungen gegen einen Offizier, der sich mit der streikenden Mannschaft der Kemerovo solidarisiert hatte, ausgesprochen. Die Firma verweigert weiterhin jegliche Auskunft. Wie die taz berichtete, verhinderten 20 der 25 Besatzungsmitglieder am Dienstag das Auslaufen der Kemerovo aus dem Bremer Kap-Horn-Hafen. Das Frachtschiff hat Terminware für Brasilien an Bord. Die Charterfirma hat der Reederei des Schiffes am 29. September das „off hire“erklärt, das heißt, sie hat ihre Zahlungen an die Reederei eingestellt, weil die Ladung überfällig ist.

Am Donnerstag jagten sich die einstweiligen Verfügungen vor dem Arbeitsgericht Bremen. Zwar wurden in der letzten Verfügung die deutschen Betreuer der russischen Crew, die Vertreter der Internationalen Transportgewerkschaft (ITF), aufgefordert, das Schiff zu verlassen, aber das Gericht ordnete auch einen mündlichen Verhandlungstermin am Mittwoch nächster Woche an. „Wir bleiben solange an Bord, solange die russische Crew uns haben will“, sagt Ulf Christiansen von der ITF.

Zu Unruhe war es unter den Streikenden gekommen, als der Vertreter der Maklerfirma Gebrüder Specht vor Gericht eidesstattlich erklärte, bei einem Aufgeben würde die Streikcrew auf Kosten der Reederei nach Hause geflogen. Der nicht streikende Kapitän hatte den Seeleuten erklärt, sie würden nur bis Moskau gebracht. Die Seeleute wohnen aber auf der Insel Sachalin. Ein Flug von Moskau nach Sachalin kostet 500 Dollar. Laut Billigvertrag der Rederei verdienen die Seeleute 249 Dollar im Monat. Dies blieb nicht die einzige Ungereimtheit. Der Rechtsanwalt der russischen Reederei legte dem Bremer Gericht die Bevollmächtigung einer Shipping Compagnie aus Malta vor. Die Kemerovo fuhr unter maltesicher Billigflagge. Am Montag hatten Vertreter der Reederei noch versucht, das Schiff kurzfristig umzuflaggen. An Bord flattert noch die russische Flagge. Wäre die Umflaggung rechtens, dürften möglicherweise die Gewerkschafter der ITF nicht mehr die Interessen der russischen Crew vertreten.

Sicherheitshalber hat die ITF auch Vertreter einer russischen Gewerkschaft nach Bremen eingeflogen. Diese Gewerkschaft ist Mitglied im internationalen Dachverband der Transportgewerkschaften ITF. Sie hat bereits in Moskau mit der neuen Crew Kontakt aufgenommen. Wie aus russischen Gewerkschaftskreisen verlautet, ist es denkbar, daß sich die neue Crew weigert, an Bord der Kemerovo zu gehen, solange der Arbeitskampf der streikenden Besatzung nicht gelöst ist. Das würde einen zeitlichen Spielraum für Verhandlungen zwischen Streikenden und Reederei bedeuten.

Ob die Reederei zu Verhandlungen bereit ist, dazu wollte ihr Bremer Rechtsanwalt sich nicht äußern. Immerhin meinte er, daß niemand ein Interesse an gewalttätigen Auseinandersetzungen hätte. Zu denen könnte es kommen, wenn der Bremer Agent der Rederei, Gebrüder Specht, die neue Crew zwingen würde, die Kemerovo zu entern. In Maklerkreisen spricht man bereits von mehreren hunderttausend Mark Verlust für die russische Rederei der Kemerovo.

Die deutschen Vertreter der ITF, die den Streik der Russen betreuen, sind extra von der ÖTV abgestellt, Jagd auf Redereien zu machen, die ihre Schiffe unter Billigflaggen fahren lassen. „Damit wollen die Redereien internationale Richtlinien für Versicherungen und Mindeslöhne umgehen. Unverschämt, daß eine Bremer Firma so aggressiv das Geschäft der Ausbeuter betreibt“, meint Ulf Christiansen von der ITF. Thomas Schumacher