Amnestie für den Comic-Klau

■ Die Comicbibliothek "Bei Renate" verleiht seit fünf Jahren Bilderbücher. Jetzt startet eine ungewöhnliche Rückhol-Initiative: keine Mahngebühren bei der Rückgabe von geliehenen Büchern

Eigentlich hätte Peter Lorenz Grund zum Feiern: Denn die Comicbibliothek „Bei Renate“ ist fünf Jahre alt und hat sich bewährt. In Eigeninitiative verleihen die sieben ehrenamtlichen Mitarbeiter in Deutschlands einziger Comicbibliothek gegen eine Monatsgebühr von fünf Mark die Bilderbücher.

Doch statt eines großen Festes starten der Initiator des Comicverleihs und seine Mitstreiter für die Verbreitung der Zeichenkunst eine bislang einmalige Rückrufaktion, die den Bestand ihres Projektes sichern soll. Denn obwohl sie mit der Resonanz ihrer Arbeit zufrieden sind, haben sie bei einer Sache doch langsam die Nase voll: In den letzten Jahren verschwanden mehr als 300 Titel aus dem Bibliotheksbestand. Abgesehen vom finanziellen Schaden, der sich auf etwa 5.000 Mark beläuft, ist der Verlust besonders schmerzlich, weil viele Comics nur einmal vorrätig sind.

Daß die Comics durch pure Absicht den Besitzer wechseln, daran glaubt Peter „Auge“ Lorenz nicht. Er glaubt „an das Gute im Menschen“ und führt das Fehlen der unzähligen Titel schlicht auf Schlamperei und Vergeßlichkeit vieler Comicfans zurück: „Die meisten Leser überschreiten einfach die Leihfrist von einer Woche und haben dann Manschetten vor zu hohen Mahngebühren“, sagt er. Außerdem, ergänzt er seine These, gäbe es immer wieder Probleme bei Umzügen, wo im allgemeinen Chaos „des öfteren mal was abhanden kommt“.

Deshalb starten die Verleiher jetzt im Oktober eine Amnestieaktion: Was in Bibliotheken der USA schon seit langem praktiziert wird, kommt jetzt auch erstmals in Berlin zum Zug. In den nächsten vier Wochen will man „Bei Renate“ Gnade vor Recht ergehen lassen und gegenüber reuigen Lesern Nachsicht walten lassen. „Auge“ Lorenz: „Für zurückgebrachte Comics erheben wir keine Versäumnisgebühren und fordern auch keine Strafabgaben. Uns geht es nur darum, möglichst viele Comics zurückzubekommen und damit auch den Fortbestand dieser ungewöhnlichen Bibliothek zu sichern.“

Die zweite Aktion, die hauptsächlich das finanzielle Überleben der „Renate“ sichern soll, ist die alljährliche Benefizgala, die am 1. November ab 21 Uhr im Tacheles stattfindet und bei der „Stars von nebenan“ wieder um die Schlagerkrone wetteifern werden. Die dort eingenommenen Gelder sollen zur Deckung der anfallenden Mietkosten für die Bibliothek verwendet werden. Alexander Eschment

Comic-Bibliothek „Bei Renate“, Tucholskystr. 32, Öffnungszeiten: Mo. u. Mi. 14 bis 20 Uhr, Fr. 14 bis 19 Uhr