Adieu, Kupfer und Messing

■ Die elektronische Geldbörse kommt gleich in zweifacher Ausführung. Unterschiedliche Interessen verhindern allerdings ein einheitliches System. Für wen ist E-cash interessant?

„Fortschritt an der Kasse“ – es hört sich fast schon revolutionär an, was die Banken sich da ausgedacht haben: eine neue Geldkarte. Mit dieser sollen „Zahlungen, die im Kleingeldbereich liegen“, so eine Bankbroschüre, „schnell und einfach“ zu erledigen sein. Denn die Geldkarte ist anders als die Kreditkarte, sie soll „ein Abbild des Bargelds“ sein. Wie das funktioniert? Die Eurocheque-Karte bekommt einen „intelligenten Mikrochip“ verpaßt. An einem Terminal in der Bankfiliale lädt der Kartenbesitzer die Karte mit bis zu 400 Mark auf und kann dann damit einkaufen gehen. Anders als bei Kredit- oder ec-Karten in den klassischen Varianten braucht der Geldkartennutzer sich beim Einkaufen nicht mehr auszuweisen: Keine PIN ist notwendig und eine Unterschrift auch nicht. Der Betrag wird einfach von der Karte abgebucht. Sie ist eine elektronische Geldbörse: Bits und Bytes statt Kupfer und Messing. Und wie im richtigen Leben wird auch diese Geldbörse irgendwann leer; überziehen geht nicht.

Was das bringt? Die Geldkarte mache „unabhängig von abgezähltem Kleingeld“, wissen die Banken. Sie beschleunige den Ablauf an der Kasse, und mache Schluß mit dem Geldzählen am Abend. Sie beende den Transport der Tagesumsätze und verhindere die falsche Rückgabe von Wechselgeld – schöne neue Welt.

Besonders für die Banken. 0,3 Prozent kassieren sie vom Umsatz mit der Geldkarte. Auch beim Laden der Geldbörse fallen – außer bei der Hausbank – Gebühren an. Das Institut profitiert ferner von dem zinsfreien Kredit, den die Nutzer ihm geben. Und geht eine Karte verloren, bleibt das Guthaben – wenn niemals mehr jemand die Karte findet – auch noch bei der Bank hängen.

Das Ärgerliche: Die Karte der Kreditwirtschaft kommt amputiert daher. Sie paßt nicht in normale Kartentelefone, auch nicht in Fahrscheinautomaten – versagt also genau dort, wo man sie wegen permanenten Kleingeldmangels gerne nutzen und dringend benötigen würde.

Anderswo hingegen, wo man sie aber nicht so sehr braucht, kann man sie nutzen – beim Bäcker beispielsweise, wo das Problem fehlenden Kleingeldes meist wenig akut ist. Entsprechend gering sind die Nutzungszahlen bisher: Im Durchschnitt wünscht an jedem der bislang vorhandenen Terminals nur alle zwei Tage mal ein Kunde mit Geldkarte zu bezahlen. Bei einem Versuch in Ravensburg und Weingarten lag der Anteil der Karte am Gesamtumsatz demzufolge auch nur zwischen 0,5 und 1,1 Prozent.

Daß die deutsche Kreditwirtschaft an Fahrscheinautomaten und Kartentelefonen mit ihrer Karte nichts anfangen kann, hat einen einfachen Grund: Die Telekom, die Deutsche Bahn und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen haben ihrerseits eine Karte, die „Pay-Card“, herausgebracht – und sind damit zu Konkurrenten der Banken geworden. Um die Geldkarte der Banken zur Telefonkarte werden zu lassen, müßte die Telekom ihre Kartentelefone umrüsten. Und dazu sieht sie natürlich keinen Grund.

So werden die Kunden der Kreditwirtschaft weiterhin kleingeldsuchend vor Telefonen und Fahrscheinautomaten stehen – sofern sie keine weitere Karte besitzen. Sie werden weiterhin mit einer Handvoll Münzen bedacht, wenn sie einen Fahrschein für 2,60 Mark mit einem 50 Mark-Schein bezahlt haben. Denn Wechselgeld gibt der Automat bekanntlich nicht in Scheinen heraus.

Wer mobil ist, ist mit der Pay- Card also besser dran. Nach dem Boom der Telefonkarte, könnte sie auch ein Erfolg werden, schließlich ist die neue Pay-Card nichts anderes als eine wiederaufladbare Telefonkarte mit einem erweiterten Nutzungsspektrum. Das Schlagwort heißt „mobilitätsnah“: Taxi und Parkgebühren sollen ebenso mit der Karte bezahlbar sein, wie die Fahrkarten beim Busbahnfahrer. Nach einem Test der Karte in Dresden, Hamburg, München, Stuttgart und dem Rhein-Main- Gebiet, sagten 98 Prozent der Nutzer, sie würden die Karte weiterhin verwenden. Sie bringt noch weitere Vorteile: Weil sie die vielen Einwegkarten, die im Umlauf sind, ersetzt, wird Müll reduziert. Zudem ist die „Mehrwegkarte“ billiger, denn die Telekom bietet ihren Kunden bei Nutzung einer aufladbaren Karte zehn Prozent Preisnachlaß. Auch für die Verkehrsunternehmen ist die Chipkarte finanziell attraktiv: Banknotenakzeptoren in Fahrscheinautomaten, jene hochdiffizilen elektronischen Geräte, die Geldscheine erkennen können, sind extrem teuer. Wenn der Kunde mit Karte bezahlt, werden sie überflüssig.

Beide Karten, sowohl die Pay- Card von der Telekom und den Verkehrsbetrieben, als auch die Geldkarte der Banken werden derzeit bundesweit eingeführt. Die Verbraucherverbände warnen unterdessen vor möglichem Mißbrauch der Daten, der bei der Geldkarte zumindest denkbar ist. Bei der Pay-Card, auf der kein Name des Besitzers verzeichnet ist, sei Mißbrauch ausgeschlossen.

Was bleibt ist die Frage: Benötigt die Bundesrepublik tatsächlich zwei parallel einzusetzende Systeme von elektronischen Geldbörsen? Wohl kaum. Aber „technische Probleme“ sollen angeblich verhindert haben, daß die Kartenproduzenten beider Seiten zueinander finden konnten. Der wahre Grund allerdings dürfte ein ganz anderer sein: Mit ihrem eigenen System nämlich können die Banken noch gutes Geld verdienen – mehr jedenfalls, als wenn sie das andere System der aufladbaren Telefonkarte unterstützt hätten. Bernward

Janzing