: Schaurige Schlußphase
Alba Berlin gewinnt mit 74:73 gegen Cibona Zagreb sein zweites Heimspiel in der Basketball-Europaliga ■ Aus Berlin Matti Lieske
„Wassili Karassew“, skandierten die fast 7.000 Zuschauer in der Berliner Max-Schmeling-Halle, nachdem ihr Alba-Team einen hauchdünnen 74:73-Vorsprung gegen Cibona Zagreb über eine 40sekündige, hochturbulente Schlußphase hinweggerettet hatte, die den Anhängern manchen Schauer über den Rücken jagte. 26 Punkte hatte der russische Spielmacher erzielt und erstmals vollständig seinen Vorgänger Sasa Obradovic vergessen lassen. Dessen Agent hatte den Bogen bei den Vertragsverhandlungen im Sommer überspannt, so daß sich der Jugoslawe plötzlich in Rom wiederfand und an seiner Stelle nun Karassew das Berliner Spiel dirigiert. 16 Punkte hatte der 26jährige bereits nach zehn Minuten gesammelt und damit den Kroaten mit ihrem treffsicheren Jungstar Davor Mulaomerovic die Früchte eines starken Beginns geraubt.
Von Svetislav Pesic sind Huldigungen allerdings nicht so leicht zu bekommen wie vom Publikum. „Er ist körperlich stabil und macht keine dummen Sachen“, ließ sich der gestrenge Alba-Coach immerhin zu einem kleinen Lob für Karassew herab. Mit seiner Nüchternheit erspart sich der Russe Schimpfkanonaden, wie sie häufig über dem gelegentlich übermütigen Obradovic niedergingen. Zu granteln hatte Pesic aber dennoch etwas. „Er muß lernen, daß Basketball nicht nur geradeaus ist“, bemängelte der Coach die Spielweise von Karassew, der ähnlich wie sein berühmter Landsmann Sergej Bazarewitsch die Tendenz besitzt, jedesmal, wenn er den Ball bekommt, in Höchstgeschwindigkeit zum gegnerischen Korb zu düsen. Bazarewitsch hatte diese Angewohnheit unter anderem seinen Job bei den Atlanta Hawks gekostet. „Er muß ein Feeling für Rhythmuswechsel bekommen“, fordert Pesic, manchmal müsse man eine „kontrollierte Offense spielen, damit wir uns regenerieren können“.
Damit hatte Svetislav Pesic dann aber genug gemeckert, denn im Grunde war er heilfroh, daß die zweite schwer umkämpfte Europaligapartie in heimischer Halle trotz diverser Probleme gewonnen worden war, und dies gegen einen Gegner, den er gar nicht genug loben konnte. Sämtliche Cibona- Spieler wären „sehr stark am Ball“ und wüßten sich so gut zu positionieren, „daß es einem vorkommt, als wäre das Feld 25 Meter statt 15 Meter breit“. Die Taktik, Zagrebs Spieler lieber von außen werfen als zum Korb vordringen zu lassen (Pesic: „Besser, man hat ein Konzept als zwei Konzepte.“), ging nicht immer auf, vor allem, als Center Christian Welp schon nach 25 Minuten mit seinem fünften Foul ausschied und der Junioren- Nationalspieler Sandro Nicevic sowie der Russe Jewgeni Kissurin unterm Korb munter punkteten. Immer wieder wurden die kleinen Vorsprünge, die sich Alba erarbeitete, von den Kroaten wettgemacht, die gegen Ende sogar in Führung gingen.
Der ungute Verlauf erforderte ungewöhnliche Maßnahmen. Die Scorer Karassew und Alexis spielten fast durch, und auch Henning Harnisch, der gegen die Nationalspieler Mulaomerovic und Rimac glänzend verteidigte, bekam kaum eine Pause. „Er hat so gut gespielt“, meinte Pesic, „daß ich ihn nicht auswechseln wollte.“ Die größte Wirkung hatte jedoch die Hereinnahme des niederländischen Centers Geert Hammink, der nach einer Fußverletzung eigentlich noch nicht wieder fit ist. „Er kann nicht abbremsen und hat Angst“, erklärte Pesic, der den 28jährigen ursprünglich nicht einsetzen wollte, aber am Ende keine andere Möglichkeit sah. „Wirf einfach, und wenn du triffst, ist es gut“, gab er Hammink mit auf den Weg. Der traf tatsächlich zweimal und fischte auch noch einen wichtigen Rebound. „Korrekt gespielt“, lobte Pesic, während Petrovic zugab: „Mit Hammink haben wir nicht gerechnet. Das waren genau die vier Punkte, die uns fehlen.“
Gefehlt haben Cibona Zagreb aber auch drei Punkte von Davor Marcelic. Bis dahin hatte der kroatische Nationalspieler in dieser Europaliga-Saison all seine Dreier versenkt, ausgerechnet in den letzten Sekunden der Partie gegen Alba landete der Ball jedoch erstmals auf dem Korbrand. Wäre die Serie von Marcelic an dieser Stelle nicht gerissen, hätte Wassili Karassew wohl noch etwas länger auf seine Ovationen warten müssen.
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