Die Strahlenfracht fürs Meer wird immer größer

■ Greenpeace verlangt Einleitungsstopp für WAA La Hague. Rechtsstreit mit Betreiberin?

Paris (taz) – Kleine strahlende Teilchen, die über zweimal größer sind als vom Gesetzgeber erlaubt, hat Greenpeace Anfang dieser Woche festgestellt. Ort: der Auslauf eines Rohres, durch das der französische Atomkonzern „Cogéma“ Flüssigmüll aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in den Ärmelkanal leitet. Ein Richter im benachbarten Cherbourg überprüfte gestern im Eilverfahren die Forderung der Umweltorganisation, alle Einleitungen aus der WAA ins Meer auszusetzen.

De facto käme das einem Betriebsverbot für die Müllfabrik gleich, die außer abgebrannten Stäben aus dem französischen Atompark auch den überwiegenden Teil des deutschen Atommülls sowie den aus Japan, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz wiederaufarbeitet.

Taucher von Greenpeace hatten eigene Filter vor das Ende des fünf Kilometer langen Rohres gehalten. Während laut einem Dekret aus dem Jahr 1980 die Einleitungen ins Meer flüssig sein müssen und keine Teilchen über 25 Mikrometer enthalten dürfen, fand die Umweltorganisation in ihrem Filter Partikel in einer Größe von bis zu 63 Mikrometern, in denen das unabhängige französische Labor „Acro“ außerdem zahlreiche strahlende Elemente nachwies.

Nach mindestens vier Pannen bei der Rohrreinigung in diesem Sommer, nach der Entdeckung von Strontium und Plutonium in den Sedimenten am Meeresboden, nach dem Nachweis erhöhter Strahlung in Seefrüchten aus der Region und nach Berichten über eine Leukämie-Häufung in der Umgebung der WAA, ist diese Enthüllung ein neues Argument im seit Jahresanfang zugespitzten Kampf zwischen Gegnern und Befürwortern der WAA.

Die „Cogéma“ reagierte empört. Sie behielt sich rechtliche Schritte gegen Greenpeace wegen „Diffamierung“ vor. Außerdem erklärte das angegriffene Unternehmen, daß es – „völlig legal“ – durch dasselbe Rohr sowohl am WAA-Ausgang gefilterte Abwässer ins Meer leite als auch Flüssigkeiten aus der Umgebung der Fabrik, die nicht eigens gefiltert werden müßten, weil sie nicht radioaktiv seien. Unterwegs könnten sich sehr wohl kleine radioaktive Partikel an größere, radioaktive Teile heften, was die Greenpeace-Befunde erkläre, aber kein Skandal sei. Gestern lud die Führung von „Cogéma“ zu einer Pressekonferenz, bei der sie sich über die „monatelangen Belästigungen“ durch Greenpeace beklagte und den erfolgreichen – für Menschen und Umwelt schadlosen – Abschluß ihrer Rohrreinigung bekanntgab. Dorothea Hahn