Üben, üben, üben

■ Remiskönige vom Millerntor holen ein 2:2 gegen Cottbus / Nur St. Paulis Trainer Eckhard Krautzun sieht eine „stark verbesserte“eigene Mannschaft

Aus der Entfernung war nicht genau zu erkennen, was auf dem Transparent der Cottbusser Fans stand. Vielleicht „Spreewaldkosaken“? Wenn, dann machte es keinen Sinn. Cottbus liegt zwar weit im Osten, aber, nun ja, gleich Rußland? Bei genauerem Hinsehen klärte sich dann alles auf. „Spreewaldkanaken“hatten die neufünfländischen Anhänger in Weiß auf die schwarze Stoffbahn gewirkt.

Derartig abfällig, diskriminierend gar würden sich die Anhänger des FC St. Pauli niemals gegenüber den knallkörpermögenden Energie-Supportern äußern. Sie belassen es bei „Nazis“, was auch nicht sehr freundlich ist. Etlichen mitgereisten Nieder-Lau-Sitzern blieben diese Titulierungen erspart: Eine randalierende und stark alkoholisierte Hundertschaft war von der Polizei schon vor dem Anpfiff in Gewahrsam genommen worden.

Wie gut, daß sie nicht von Cottbus-Trainer Eduard Geyer erwischt wurden. „Ich hätte sie in eine Sandgrube 100 Kilometer weg gesteckt und nach Hause laufen lassen.“Solche Leute machten den Fußball „kaputt“. Ebenso kompromißlos ging der bald 53jährige mit einem seiner Spieler um. Der „tragische Held“Detlef Irrgang habe sich „mädchenhaft angestellt“. Nicht bei seinem Tor zum 2:1, sondern beim entscheidenden Zweikampf vor dem Ausgleich.

Den hatte Matthias Scherz in der Nachspielzeit erzielt. Erst der 25jährige kurz vor Schluß rein, dann der Ball aus gut 20 Metern ins Tor. „Er hat uns vor dem Desaster bewahrt“, erkannte Trainer Ecckard Krautzun, „ohne Punkt wäre es sehr schlimm geworden.“Vor allem für Krautzun selbst. Als Tabellen-Zehnter nur drei Punkte von einem Abstiegsplatz weg, der jobsuchende Übungsleiter-Kollege Benno Möhlmann auf der Tribüne, Lokalpresse am Sticheln – da macht sich zwecks Arbeitsplatzerhalt ein Unentschieden natürlich etwas besser als eine Heimniederlage.

Die wäre in diesem „Kampfspiel“auch nicht gerecht gewesen, meinte Krautzun, der „nicht unzufrieden war“und „sehr viel Positives“gesehen haben wollte, eine „stark verbesserte St.-Pauli-Mannschaft“zum Beispiel. Diese Einschätzung hatte Krautzun so ziemlich exklusiv. Aber wer bei mehr Vereinen und in Ländern trainiert hat, als mancher Sportreporter kennt, hat wohl mit den vielen Erfahrungen andere Maßstäbe entwickelt.

Was der Globalist wohl dabei gedacht hat, als Daniel Kaufen, kaufen, kaufen Franco den Cottbusser Toralf Konetzke dergestalt androsch, daß der Ball über Keeper Klaus Thomforde hinweg hinter die Linie eierte? Etwa: „So etwas ist mir selbst in Kenia bei meinen verfeindeten Stämmen nicht passiert.“Oder: „Wie damals auf den Philippinen.“Wahrscheinlich wissen es nicht einmal die „Spreewaldkanaken“. Clemens Gerlach