Billige CD-Beweise

■ „Enigma“-Premiere am Thalia Theater

Ein roter Sessel, ein High-Tech-CD-Player – mehr ist zunächst nicht auf der Bühne zu sehen. So wie schemenhaft die Umrisse eines Arbeitszimmers vor grandioser Wolkenkulisse erscheinen, so enthüllt auch Enigma Stück für Stück das Geheimnis um den letzten Roman eines Nobelpreisträgers.

Um nichts Geringeres als die Wahrheit geht es Eric-Emmanuel Schmitt in seinem Zwei-Personen-Stück, das Samstag abend als deutsche Erstaufführung am Thalia Theater Premiere hatte. Der berühmte Schriftsteller Abel Znorka (Peter Striebeck) lebt schon lange zurückgezogen auf einer kleinen norwegischen Insel. Ausgerechnet dem Provinzjournalisten Eric Larsen (Achim Buch) gewährt der menschenscheue Exzentriker ein Exklusivinterview. Sein jüngstes Buch über den Briefwechsel zweier Ex-Liebenden, wird zum Ausgangspunkt eines Rededuells über Fiktion und Wirklichkeit, über Liebe und Sex, bei dem es schließlich keinen Sieger, sondern nur zwei Verlierer gibt.

Eher schwerfällig und klischeehaft wirkt die Annäherung der beiden anfangs. Die Schablone einsamer Schriftsteller, zynisch und arrogant, wird ebenso bedient wie die des eifrigen Journalisten, der ganz wild auf eine Enthüllung ist. Von oben herab behandelt Abel Znorka zunächst den als unkreativ verachteten Schreiberling. Erst als sich nach und nach die Rollen umkehren und der Journalist zum Enthüller einer Wahrheit wird, die des Schriftstellers große Liebe als eine einzige Lüge entlarvt, wollen die Schablonen nicht mehr passen. Abel Znorkas geistreiche Bonmots und schlüpfige Witze wirken jetzt schal und altherrenhaft, der vom Künstler eben noch als „gekochte Porreestange“gehänselte Journalist gewinnt an Kraft und Kontur.

Aber so richtig will die sich zart um eine schonungslose Wahrheitssuche entwickelnde Männerfreundschaft nicht faszinieren. Peter Striebeck gibt den eitlen Schriftsteller zwar nuanciert und anrührend, doch Achim Buch kann noch so gut spielen, seine Rolle ist psychologisch einfach nicht stimmig konzipiert. Sein geradliniger und bodenständiger Charakter will nicht zu den verwinkelten Schachzügen passen, mit denen er Abel Znorka langsam Matt setzt.

Doch was viel schwerer wiegt: Das Stück schwebt so selbstverliebt in philosophischen Höhen, daß es jeder gesellschaftlichen Bodenhaftung entbehrt und mühelos auch im 19. Jahrhundert spielen könnte. Das latent mitschwingende Frauenbild von der aufopferungsvollen Muse und braven Ehegattin paßt jedenfalls bestens dort hinein. Nur CD-Player und Computer sind Beweisstücke aus unserer Zeit. Und das ist ein bißchen wenig.

Karin Liebe