Der Autositz ist immer naß Von Ralf Sotscheck

Im Zeitalter von New Labour, wo Premierminister Tony Blair „permanente Veränderungen“ proklamiert, ist es beruhigend, daß manche Dinge sich niemals wandeln. Englischer Rassismus zum Beispiel. Man sehe sich nur die Soap- operas an. Ein Ire oder eine Irin ist immer dann dabei, wenn ein Depp gebraucht wird.

Neulich bei „Eastenders“, das in London spielt, war es gleich ein ganzes Dorf. Pauline Fowler, die Hauptfigur, sucht ihre verschollene Schwester in dem irischen Dorf Kilmoneen. Sie findet sie samt schmuddeligem, trunkenen Ehemann, der umgehend über Pauline herfällt. Als sie sich wehrt, sieht die Saufnase die anglo-irischen Beziehungen gefährdet. Die anderen Familienmitglieder sind auch nicht besser: Manche sind verrückt, andere gewalttätig und der Rest erstaunlich einfältig. Und alle leben unter einem Dach: Vater, Mutter, fünf Kinder samt Ehepartnern und rothaarigen Kindeskindern – sowie Schafen und Kühen, die frei herumlaufen und am Mittagessen teilnehmen. Nicht als Mahlzeit, sondern als gleichberechtigte Familienmitglieder.

Der Dorfheld ist hoch angesehen, weil er 20 Biere trinken kann, ohne umzufallen. Die tumben Landeier fahren Autos, bei denen man Zeitungspapier auf die Sitze legen muß, weil sie aus unerfindlichen Gründen immer feucht sind. Und als der Fisch in dem unappetitlichen Dorfladen einmal ausverkauft ist, springt ein Eingeborener ins Boot, fängt sich einen Lachs und brät ihn am Lagerfeuer. Dazu trinkt er Feuerwasser. Komisch nur, daß das ostirische Bergdorf plötzlich am Meer liegt und die Blechkisten Dubliner Nummerschilder haben.

Die BBC entschuldigte sich nach dem „Eastender“-Besuch in Irland. Dann wiederholte der Sender die drei Folgen. Warum auch nicht? Die Sache hat ja Tradition. Bereits in vergangenen Jahrhunderten wurden die Iren in englischen Karikaturen als Halbaffen dargestellt, die Kartoffelsäcke trugen und stets 17 Kinder sowie eine Flasche Schnaps bei sich hatten.

Seit Beginn des Fernsehzeitalters geht man nicht wesentlich subtiler vor. Bei „Coronation Street“, dem Vorbild für die „Lindenstraße“, tauchte 1960 die Irin Concepta Reilly auf, ein reines, naives, katholisches Mädchen vom Land. Sie kam noch glimpflich davon. 30 Jahre später zog Carmel Finnan in die unsägliche englische Straße. Anfangs ähnelte sie ihrer Vorgängerin Concepta, doch dann entpuppte sie sich als gestörte Krankenschwester aus dem Jenseits – beziehungsweise aus Irland. Die irischen Männer in der „Coronation Street“ haben Alkoholprobleme und vermöbeln ihre Frauen. Bei „Brookside“, einer angeblich progressiven Seifenoper aus Liverpool, endete der Trinker Trevor Jordache einzementiert unter der Terrasse – ein Schicksal, das er aufgrund seiner irischen Widerwärtigkeiten zweifellos verdiente.

Bei „Eastenders“ war vor Jahren schon mal ein Ire zu Gast. Aidan, ein Fußballtalent, das auf einen Vertrag in London hoffte. Das klappte freilich nicht, denn Fußball ist ein englisches Spiel. Außerdem wohnte Aidan in einem Pappkarton und wollte sich umbringen. Er wurde gerettet, weil der Sendetermin in der Weihnachtszeit lag und den englischen Zuschauern das christliche Fest nicht mit einem toten irischen Versager verdorben werden sollte.