■ Die Bündnisgrünen fallen hinter ihre eigenen Erkenntnisse zurück
: Frauenpolitik ist Politik für alle

„Die Zukunft unserer Gesellschaft hängt entscheidend davon ab, daß Frauen sie gleichberechtigt mitgestalten. Politik für Frauen hat für Bündnis 90/Die Grünen ... einen besonderen Stellenwert.“ Mit diesem ungeheuer fetzigen Eingangsstatement beginnt der Entwurf für das neue frauenpolitische Programm der bündnisgrünen Partei, das am Wochenende in Berlin beraten und diskutiert wurde. Der „besondere Stellenwert“, der „Sonderstatus“, für das weibliche Geschlecht sei eine Falle sondergleichen, kritisierte die Publizistin Mechtild Jansen auf diesem frauenpolitischen Ratschlag. Die Frauenfrage als Sonderfrage statt als Schlüsselfrage für die Zukunft der Arbeitsgesellschaft zu betrachten, das falle hinter längst gewonnene Erkenntnisse zurück.

Jansens Kritik erfolgt völlig zu Recht. Der Sozialstaat sei keineswegs geschlechtsneutral, sondern durch und durch männlich, so monieren feministische Wissenschaftlerinnen wie Ingrid Kurz-Scherf und andere schon seit langer Zeit. Alle derzeit geltenden Modelle von Kranken- und Rentenversicherung orientieren sich am männlichen Vollzeitarbeiter, der Ehefrau und Kinder, jene seltsamen Derivate des Menschentums, mitzuversorgen hat. Alle derzeit geltenden Modelle sind in der Krise, weil die lebenslange Vollzeitarbeit auf Nimmerwiedersehen im Nebel der Geschichte verschwunden ist. Der Umbau der Sozialversicherungssysteme inklusive Entwurf einer neuen Arbeitsmarktpolitik ist schlichtweg nicht mehr aufzuschieben.

Wie auch immer dieses neue Sozialsystem aussehen wird, es wird automatisch mitdefinieren, wie die Familien, die Ehen, die Lebensgemeinschaften aussehen werden, sprich: unser aller Privatleben. Wird Männe weiterhin Überstunden schieben, während sein Ehegespons als Hausfrau ehegattengesplittet und steuerbevorteilt, aber bis zum Erbrechen frustriert ist? Wird sie ihm sogar, wie es durchaus schon massenhaft geschieht, die Nachkommenschaft verweigern, weil sie ihren Job nicht verlieren und nicht auf diese Weise ihr Leben verkrüppeln will?

Oder schaffen es beide, die bezahlte und unbezahlte Arbeit gerecht aufzuteilen? Klar, die Männer von heute haben eine Menge zu verlieren: ihre Privilegien, ihre Einkommens-, Steuer- und Rentenvorteile, ihre Vollzeitjobs. Aber auch ihre Frauen und Freundinnen. Ihre Kinder. Ihren Spaß am Leben. Ute Scheub