Herri-Batasuna-Vorstand vor Gericht

■ Linksnationalisten wollten im Fernsehen ein Video der ETA ausstrahlen lassen. Jetzt drohen den 23 Angeklagten hohe Haftstrafen wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“

Berlin (taz) – So ein Polizeiaufgebot ist sonst nicht einmal bei hohen Staatsbesuchen üblich. Zum Auftakt des Prozesses gegen den Vorstand der Baskenpartei Herri Batasuna (HB) gleicht die Madrider Innenstadt einem Heerlager. Schützenpanzer stehen vor dem Palast, der den Obersten Gerichtshof – Tribunal Supremo – beherbergt, Polizeitrupps mit MP und Sprengstoffspürhunde streichen durch die Straßen, die Kanalisation wurde abgesucht, das ganze Gebiet für den Verkehr gesperrt. Den 23 Angeklagten wird vorgeworfen, genau für die Propaganda gemacht zu haben, vor deren Bomben die Sicherheitsmaßnahmen schützen sollen: die baskische Separatistengruppe ETA.

HB wollte im Parlamentswahlkampf 1996 in ihre Sendeplätze im spanischen Fernsehen ein Video plazieren, in dem drei Vermummte, die Pistole auf dem Tisch, im Namen von ETA ihre Bedingungen für einen Waffenstillstand und eine Verhandlungslösung im seit knapp 40 Jahren währenden Konflikt vorstellten. Die Sendeanstalt weigerte sich, das Werk auszustrahlen, die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ ein. Als ETA anschließend mitten im Wahlkampf zwei bekannte Politiker ermordete und HB die Aktionen rechtfertigte, untermauerte dies die Anklage nur noch. Die Staatsanwaltschaft will am Ende des Verfahrens zwischen acht und 22 Jahren Haft fordern.

„Ein Einschränkung des Grundrechtes auf freie Meinungsäußerung“, sieht der HB-Abgeordnete Karmelo Landa in dem Vorgehend der Justiz. „Warum schaut alle Welt auf Irland, und hier soll es unmöglich sein, sich an einen Tisch zu setzen?“ fragt der ehemalige Europaparlamentarier. HB will den Prozeß „in ein politisches Spektakel verwandeln, in dem die starre Haltung der Regierung vorgeführt wird“. Dazu wurden 28 internationale Beobachter akkreditiert, unter ihnen das Mitglied der Sinn-Féin-Verhandlungsdelegation, Alex Maskey.

Die HB-Kampagne rund um das Verfahren dürfte allerdings nicht auf allzuviel Resonanz stoßen. Der Prozeß trifft die Partei in einem Moment tiefster Krise. Die drittstärkste politische Kraft im Baskenland ist merklich in der Wählergunst gesunken, seit ETA im Juli den konservativen Gemeinderat Miguel Ángel Blanco entführte und 48 Stunden später kaltblütig ermordete. Millionen von Spaniern gingen damals gegen ETA, aber auch gegen HB, die die Entführung verteidigte, auf die Straße.

Das Madrider Innenministerium versucht, sich genau diese Stimmung zunutze zu machen, und produzierte selbst ein Video. Das 15minütige Werk mit dem Titel „Das Gesicht der ETA“ wurde an die Botschaften von 17 Ländern verteilt, in denen in den letzten Jahren ETA-Mitglieder Unterschlupf fanden, oder erst nach längeren Verfahren an die spanische Justiz ausgeliefert wurden – darunter Deutschland. Innnenminister Jaime Mayor Oreja will damit erreichen, daß künftig Auslieferungsgesuche schneller bearbeitet werden. Unter anderem befürchtet er, ein Teil der Angeklagten HBler könne sich während des Verfahrens ins Ausland absetzen. Das Video zeigt eine Reihe der blutigsten Anschläge der baskischen Separatisten.

Daß auch das Innenministerium über die Stränge schlägt, wenn es darum geht, die Schockwirkung zu erhöhen, zeigt die Sequenz um den Gefängnisbeamten José Antonio Ortega Lara, der diesen Sommer nach 532 Tagen Entführung befreit wurde. Neben dem abgemagerten Ortega wird ein KZ-Häftling in Buchenwald eingeblendet. „Nie wieder!“ verkündet die Schrift. Das geht selbst gemäßigten Nationalisten zu weit. So forderte die im Baskenland regierende baskisch- nationale Partei PNV Regierungschef José Maria Aznar auf, das Video sofort zurückzuziehen. Reiner Wandler