Ende einer Beziehung

■ Patient schlägt Zahnarzt: falscher Zahn behandelt / Amtsgericht: Körperverletzung?

Toller Patient ( „gutes Gebiß“), toller Arzt ( „fachlich nichts einzuwenden“) und eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Kann es Schöneres geben? Doch dann bricht ein ärztliches Nasenbein. Eine Seele wird verwundet. „Arsch hat der Arzt zu mir gesagt“, sagt der Angeklagte N. vor Richter Kramme im Amtsgerichtssaal. Der ist so bemüht, Klarheit in den Fall zu bringen. Die Spannung des Dentistenstuhles schlägt in den Gerichtssaal über.

Dr. H. hat seinem Patienten vor Jahren Amalgam in den Mund gestopft und das möchte der Patient wieder loswerden. Zur Diskussion steht Zahn 16, rechts, oben. Unglücklicherweise schmerzt aber Zahn 26, links, oben. Aber dem bescheinigt Dr. H., daß der eigentlich nicht schmerzen könne. „Jedenfalls sollte der nicht behandelt werden“, behauptet der Arzt. Die Krankenkasse genehmigt den Behandlungsplan für Zahn 16, rechts, oben. Am Behandlungstag setzt sich N. in den Zahnarztstuhl, voller Hoffnung, daß ihm von fachkundiger Hand der Schmerz genommen wird, und der piekt links. Als der Patient jedoch merkt, daß sich der Arzt an seiner rechten Backe zu schaffen macht, strampelt und hampelt er mit Maulspererre und möchte auf seine lädierte linke Backe hinweisen. Das ärgert den Arzt, denn er hatte gerade mit einer Betäubungsspritze im Patientenmund zu tun. Anstatt auf den Patientenwunsch einzugehen und sich den schmerzenden Zahn anzuschauen, blättert der Arzt in seinen Unterlagen, um quasi aus der Aktenlage seinen Patienten zu überzeugen, wo ihn der Schmerz quält. Dieser zeigt sich uneinsichtig, hört auf seine innere Stimme in der Backe und die sagt ihm: Der Schmerz sitzt in 26, links, oben.

Ein Wort gibt das andere. Schließlich verweist der Arzt seinen Patienten aus der Praxis. Als „Arsch“sei er beschimpft worden, sagt der Patient. Als „dumm und unfähig“habe ihn der Patient beschimpft, sagt der Arzt. In der Rezeption fordert der Patient, die Sprechstundenhilfe solle das Wortgefecht zwischen ihm und dem Arzt aufschreiben und dokumentieren. Nur, die arme Frau hat nichts mitbekommen, sagt sie. Nachdem der Doktor seinen Patienten auch in der Rezeption mehrmals auffordert, die Praxis zu verlassen, fliegen die Fäuste. Wer wen zuerst geschlagen hat, das wird noch weiter in den Nebeln von Amalgam versinken. Der Arzt hat jedenfalls eine Fraktur des Nasenbein, ärztlich attestiert. Der Patient hat ein Veilchen, ebenfalls mit ärztlichem Attest, und eine Anzeige wegen Körperverletzung.

Den Hinweis des Arztes, seine akademische Gelassenheit verbiete allzu große Erregung, kontert der Verteidiger von N. mit rechtskräftigen Strafbescheiden gegen den Arzt: Als Porschefahrer hatte der mehrmals mit Tempo und Lichthupe langsamere Fahrgenossen bedrängt und sie dann beschimpft.

Neben den Aussagen des Arztes und des Patienten bringen die Einlassungen der Sprechstundenhilfen wenig Erhellendes. Bei Redaktionsschluß war die Verhandlung noch nicht beendet.

Thomas Schumacher