Prominenz distanziert sich von Visionen

■ Referenten wie ZDF-Chefredakteur Bresser und der Ökonom Hickel sagen ihre Teilnahme am Kongreß „Visionen der Zukunft“ab / Jutta Ditfurth unterstellt dem Kongreß Nähe zum Faschismus

Wer in freudiger Erwartung einmaliger Konzerte und anregender ReferentInnen 410 Mark locker gemacht hat, um am Wochenende den 4. Internationalen Kongreß „Visionen menschlicher Zukunft“besuchen zu können, sollte sich prophylaktisch schon mal ein Alternativprogramm überlegen. Den Organisatoren um Frank Siepmann bricht das Rahmenprogramm weg. Und Vorwürfe, die Esoterik-Messe biete ein Forum für faschistisches Gedankengut, bringt die Veranstaltung ins Gerde.

In der vergangenen Woche hatte bereits die Sängerin Mercedes Sosa ihren Auftritt abgesagt. Und auch ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser möchte jetzt doch nicht wie angekündigt auf der parallel zum Kongreß stattfindenen Messe „Natürlich leben '97“den Eröffnungsvortrag zum Thema „Die ökologische Herausforderung“halten. Rudolf Hickel, Professor für Politische Ökonomie an der Uni Bremen, will ebenfalls nicht mehr über die „Arbeit für sinnvolles Wachstum“diskutieren und hat seine Teilnahme an der Veranstaltung abgesagt.

Bresser begründete seinen Rückzieher mit inhaltlichen Differenzen zu den Veranstaltern. Sowohl der Kongreß als auch die Messe böten Ideen und Produkte an, „mit denen sich Bresser als Journalist nicht identifizieren will“. Trotz mehrmaliger Nachfragen seien ihm die Kongreßunterlagen erst sehr spät zugestellt worden, zudem werbe der Veranstalter unautorisiert mit seinem Namen und Bild. Bresser äußerte die Vermutung, er sollte auf diese Weise für „bestimmte Ziele der Veranstalter vereinnahmt werden“.

Eröffnet Bressers vages Statement noch Raum für hintergründige Ursachenforschung, ist Rudolf Hickels Absagebegründung unmißverständlich. In einem Interview mit der Hansawelle sagte Hickel, nach Durchsicht der ReferentInnenliste sei in ihm die Befürchtung erwachsen, daß der Kongreß faschistoiden Tendenzen Vorschub leiste. Hintergrund dieser Einschätzung: In einem vierseitigen Informationsblatt, das Jutta Ditfurth, Redakteurin der Zeitschrift ÖkoLinX und ehemalige Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, verfaßt hat, werden zahlreiche ReferentInnen des Kongresses als geistige UrheberInnen faschistischen Gedankengutes geoutet. Über Franz Alt, Teilnehmer des Forums „Visionen menschlicher Zukunft“, heißt es in dem Papier etwa, er sei „scheinheiliger Antisemit“und propagiere rechtsextreme pädagogische Positionen. Die Ex-Schauspielerin und Kochbuchautorin Barbara Rütting, die während der Messe an einer Talkshow teilnehmen wird, soll laut Ditfurth rechtsextreme Esoterik- und autoritäre Sexsekten unterstützen.

Annelie Keil, Gesundheitswissenschaftlerin an der Uni Bremen und als Mitglied des Kongreßbeirates mitverantwortlich für die Kongreßorganisation, bezeichnete gegenüber der taz die von Ditfurth geäußerten Vorwürfe als „infame Verleumndung“. Sie sei sich sicher, daß keiner der KongreßteilnehmerInnen in die Ecke gehöre, in die sie von Ditfurth gestellt würden. Keil, die sich „als Sozialistin begreift“, zeigte sich betroffen von Ditfurths Unterstellung, esoterische Lehren hätten eine natürliche Nähe zu faschistischem Gedankengut. „Das ist auch eine Form von Rassismus“.

Die Absagen von Bresser und Hickel bewertete sie unterschiedlich. Bresser habe keine Kongreßunterlagen bekommen, weil er nicht am Kongreß, sondern an der Messe teilnehmen sollte. Die Messeunterlagen seien aber erst kürzlich fertiggestellt worden. Und mit Hickel werde man heute nocheinmal über die Absage reden. zott