Von Blechen, die nach Zechen klingen

■ Keine einfachen Konzepte, kein vorschnelles Heldentum, kein Blick auf den Proletkult à la „Trainspotting“: Mark Hermans „Brassed Off“ zeigt sozial abgestiegene Bergarbeiter und anmutige Blaskapellen im nordenglischen Yorkshire

Yorkshire im Jahr 1992: Eine kleine nordenglische Gemeinde leidet unter der Wirtschaftsmisere, ihr ganzer Mikrokosmos besteht allein noch aus einer wackeren Bergarbeiterkapelle – so könnte man Mark Hermans „Brassed Off“ grob umreißen. Tatsächlich brachte eine Zeitungsmeldung den selbst aus Yorkshire stammenden Regisseur und Drehbuchautor auf die Idee für seinen Film. Allerdings hat Herman aus den düsteren sozialen Fakten keine plump- agitatorische Passionsgeschichte, sondern eine treffsichere Schilderung mit viel Lokalkolorit und hohem Komödienanteil gemacht.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Pete Postlethwaite als stoischer Kapellmeister Danny Ormondroyd, der die Coalminer-Tradition verkörpert. Seine Kapelle ist ein ziemlich heterogener Verein, der ohne ihn längst die Flöte ins Korn geworfen hätte. Diesmal aber scheint der Druck der Umstände – die drohende Zechenschließung – übermächtig, und die Urabstimmung der Musikanten könnte das Aus für die „Grimley Coillery Band“ bedeuten.

Nur Dannys Sohn Phil (Stephen Tompkinson) und der junge Kohlenarbeiter Andy (Ewan McGregor) bleiben – mehr aus persönlicher Treue denn aus Überzeugung – bei der Sache. Verstärkung erhält der Männerverein des Blasorchesters von Gloria (Tara Fitzgerald). Die Enkelin eines früheren Bandleaders ist nach akademischen Umwegen zurückgekehrt; nun verschafft sie sich mittels Spielstärke und weiblicher Grazie Zutritt und packt die Bandkollegen bei der Ehre.

Gleichzeitig muß sie den wahren Grund ihres Treibens verheimlichen. Schließlich hat das ehemalige smalltown girl versucht, als Gutachterin etwas für die Kumpels und ihre sozial erodierende Heimatregion zu erreichen. Aber während einerseits ihre positiven Berichte bei den Minenchefs im Mülleimer landen, danken ihr auch die eigenen Leute den strategischen Wechsel der Fronten wenig. Glorias wohlmeinender Zugang von außen stößt bei den Einheimischen zunächst auf wenig Gegenliebe. Nebenbei gehört es zu den sympathischen Absonderlichkeiten dieses Films, der die nervenaufreibenden Orchesterproben und das ständige Hm-taa-taa zu einer bestimmenden Sache macht, daß er manchen Blechhasser konvertiert entlassen dürfte.

Der entscheidende Beitrag zu diesem Film kommt von den vorzüglichen Schauspielern – allen voran Pete Postlethwaite. In einem verzweifelten Anlauf bringt der gesundheitlich recht wacklige Herr Kapellmeister seine Leute noch einmal zusammen. Man tingelt mehr oder weniger glücklos über die Dörfer, versucht Regionalsieger bei lokalen Wettbewerben zu werden, wobei allmählich auch der alte Kampfgeist der Kumpels zurückkehrt. Und dann wäre da noch der Traum vom Triumph: einmal in der Londoner Royal Albert Hall spielen!

Musikalisch unterstützt von einer echten Blaskapelle, der „Grimethrope Coillery Brass Band“, ist „Brassed Off“ ein soziales Melodram im Paukenton höchstens auf den ersten Blick. Denn das gelegentliche Pathos der Story wird stets konterkariert von einer tragikomischen erzählerischen Grundhaltung. So läßt Herman den von seiner Familie verlassenen Phil, der sich als Pausenclown ein Zubrot verdient, eine Verzweiflungstat begehen. Aber seine in voller Clownsmontur gehaltene Anti-Thatcher-Rede in der Gemeindekirche ist nur eine Etappe – und nicht mal eine ruhmreiche, sondern genauso überzeugend und plausibel wie lächerlich. Keine einfachen Konzepte, kein vorschnelles Heldentum. Sein Film, so Hermans, sei keine „Yorkshire-Geschichte“, sondern universal verständlich als Momentaufnahme ökonomischen Wandels, für den der Thatcherismus nur ein Vorbild war. Gudrun Holz

„Brassed Off“. Regie und Buch: Mark Hermans. Mit Pete Postlethwaite, Tara Fitzgerald, Ewan McGregor u.a. GB 1996