Zagreb liefert zehn Kroaten aus

Mit Dario Kordić kommt der bisher größte Fisch vor das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Der Druck der USA zwingt Präsident Tudjman zu diesem Schritt  ■ Aus Split Erich Rathfelder

In den Gesichtern der zehn mutmaßlichen Kriegsverbrecher, die gestern vormittag von Split aus nach Den Haag geflogen wurden, spiegelten sich Mißmut und Angst. Mit Dario Kordić und Pero Skopljak haben sich die wichtigsten vom internationalen Tribunal gesuchten mutmaßlichen kroatischen Kriegsverbrecher dem Gericht gestellt.

Der 37jährige Dario Kordić, der ehemalige Vizepräsident der kroatischen Nationalpartei HDZ in Bosnien-Herzegowina, hatte noch vor wenigen Wochen eine solche Entwicklung nicht für möglich gehalten. In Kreisen seiner früheren engen Mitarbeiter in Zentralbosnien hieß es, er verfüge über ein sicheres Versteck. Auch Pero Skopljak, der 1943 in Vitez geborene ehemalige Polizeichef der Stadt, war untergetaucht.

Kordić ist neben dem kürzlich unter mysteriösen Umständen verstorbenen ehemaligen Präsidenten von Herceg-Bosna, Mate Boban, eine der Schlüsselfiguren der kroatischen Verbrechen in Zentralbosnien Mitte April 1993. Er war nicht nur ein politischer Führer, sondern gleichzeitig auch ein Militärkommandant. Wie die taz damals berichtete, entstand das Gefangenlager in Busovaca unter der Verantwortung von Kordić.

Die meisten der jetzt nach Den Haag überstellten mutmaßlichen Kriegsverbrecher stammen aus der Region Vitez und sollen bei den „ethnischen Säuberungen“ ihre Hand im Spiel gehabt haben. Die miteinander verwandten Mirjan, Vlatko und Zoran Kupreskić sowie Vladimir Santić sollen direkt an den Morden in dem muslimischen Dorf Ahmici bei Vitez am 16. April 1993 beteiligt gewesen sein. Auch Drago Josipović, Marinko Katava, Stipe Alinović und Dragan Papić sollen zu verschiedenen Verbrechen in Zentralbosnien beigetragen haben.

Die Anklage gegen Kordić bezieht sich sowohl auf seine politische wie seine militärische Rolle in dem Krieg in Zentralbosnien. Unter seiner Verantwortung und nach seinem politischen Willen sollten das Lasva-Tal und die Region Busovaca von Muslimen „gesäubert“ werden. Die damals noch etwa je zur Hälfte aus Muslimen und Kroaten bestehende Bevölkerung wurde unter brutaler Gewaltanwendung getrennt. Ziel Kordić' und Bobans war es, diese Gebiete aus Bosnien-Herzegowina herauszubrechen und mit Kroatien zu vereinigen.

Auch diese politische Dimension wird Gegenstand der Verhandlungen in Den Haag sein. Im Prozeß steht deshalb auch die Verantwortung des kroatischen Präsidenten Tudjman zur Debatte. Aus diesem Grund habe Zagreb lange Zeit der Forderung widerstanden, Kordić nach Den Haag auszuliefern, erklären kroatische Menschenrechtler. Der Tod Mate Bobans im Juni befreite Zagreb von einer Last.

Als der kroatische Verteidigungsminister Gojko Susak, der als politischer Mentor vieler dieser mutmaßlichen Kriegsverbrecher gilt, die Namen der Ausgelieferten im kroatischen Fernsehen bekanntgab, lüftete er ein bisher streng gehütetes Geheimnis. Zagreb hatte nämlich bisher abgestritten, über den Aufenthalt der Gesuchten Bescheid zu wissen. Mit der Formulierung, über „einige Kanäle“ habe man Kontakt aufgenommen, um die Gesuchten zu bewegen, nach Den Haag zu gehen, widersprach er damit vorher gemachten Äußerungen. Vor allem der Druck der USA ist ausschlaggebend für diesen Schritt der kroatischen Seite. Tudjman hat sich in den letzten Wochen über diesen Druck öffentlich beschwert und die Souveränität des Staates in Frage gestellt gesehen. Die in weite Ferne gerückte Integration Kroatiens in die EU, die Drohung mit Wirtschaftssanktionen und die Suspendierung von Gesprächen über den Nato-Beitritt zwangen ihn jedoch nachzugeben.